So funktioniert ein Variometer

So funktioniert ein Variometer

Fliegt ein Segelmodell relativ niedrig und in unmittelbarer Nähe vom Piloten, ist es mit etwas Erfahrung ein Leichtes einzuschätzen, ob sich das Modell gerade in einem Aufwind befindet und steigt oder im Abwind und sinkt. Ab einer gewissen Modellhöhe und einem steilen Blickwinkel fällt es zunehmend schwerer, die Entfernung und damit auch die Steig- oder Sinkgeschwindigkeit zu beurteilen. Vielleicht befindet sich der Segler gerade in einem leichten Aufwind und, ohne dass der Pilot es merkt, hätte er beim vorsichtigen Weiterkreisen möglicherweise einige entscheidende Höhenmeter gut gemacht. ­Variometer sind in diesem Moment eine gute Hilfe.Variometer ermöglichen es, die Sink- beziehungsweise Steiggeschwindigkeit im Flug zu messen und durch einfache Telemetrie dem Piloten am Boden mitzuteilen. Ein solches Messgerät ist kein Hexenwerk, denn hinter der zu verwendenden Messmethode verbirgt sich eine fundamentale physikalische Tatsache. Wird ein kompressibles Medium wie beispielsweise ein Gas in einem sehr hohen Gefäß aufbewahrt, so macht sich der Schweredruck des Gravitations­felds bemerkbar. Auf den unteren Gasteilchen lastet die Masse der oberen Gasteilchen – siehe Abbildung 1.

In der Folge werden sich im unteren Teil des Gefäßes mehr Teilchen befinden als im oberen. Durch die thermische Eigenbewegung der Gasmoleküle werden jedoch nicht alle nach unten sinken. Es stellt sich lediglich eine dynamische Verteilungsfunktion ein, die dazu führt, dass die Dichte und der Druck im gedachten Gefäß von oben nach unten zu­­nehmen. In einem Luftballon oder einem aufgeblasenen Ball zum Beispiel macht sich dies jedoch kaum messbar be­merkbar. Ist das Gefäß aber einige Meter hoch, so er­­geben sich bereits merkliche, wenn auch winzige, Druck­unterschiede zwischen dem Boden und dem oberen Ende. Aus statistischen Überlegungen heraus lässt sich nun die Verteilungsfunktion der Gasteilchen bestimmen und daraus der Druckverlauf berechnen. Somit ist es möglich, aus dem gemessenen Druck auf die Höhe im Gasvolumen zu schließen. Die Formel, die diesen funktionalen Zusammenhang beschreibt, nennt sich barometrische Höhenformel und ist in Abbildung 2 wiedergegeben.

Der genaue Verlauf ist e-funktional, jedoch kann man für die im Modellflug interessanten Höhen von einem zu Beginn linearem Verlauf ausgehen. Erst in einigen Kilo­metern macht sich die Abweichung stark bemerkbar – spielt also keine Rolle.

Hoch-Druck
Wenn man den Luftdruck nur ausreichend genau messen kann, dann erhält man die Möglichkeit, die Höhe über dem Ausgangspunkt zu bestimmen. Leider ist diese Messung mit klassischen Druck-Dosen-Barometern nur mit erheblichem Aufwand möglich und daher extrem teuer. Dennoch war es im manntragenden Fliegen ab den frühen 1930er-Jahren üblich. Die gerade bei Wettbewerben zum Teil erheblichen Preisgelder rechtfertigten hohe Investitionen in die Flug­instrumentierung. Seitdem hat sich die Technik wesentlich weiterentwickelt. Durch die Mikrosystemtechnologie ist es ohne Weiteres möglich, Drucksensoren in mikroskopisch kleinen Abmessungen zu bauen, die nicht nur die klassischen mechanischen Barometer an Auflösung und Ge­­nauigkeit klar in den Schatten stellen. Diese winzigen Wunderwerke der modernen Halbleitertechnik sind im gut sortierten Elektronik-Handel für wenige Euro erhältlich. Mit diesen Sensoren, in denen teilweise bereits die Auswerte­elektronik integriert ist, lassen sich Höhenveränderungen auf einige Zentimeter genau messen.

Solche Sensoren sind im Grunde sehr einfach aufgebaut – siehe Abbildung 3. In einem nahezu geschlossenen Gefäß mit nur einer zentralen Öffnung an der Oberseite befindet sich eine Silizium-Membran, die nach unten ein Luft­volumen mit Normdruck abschließt. Sinkt nun der Druck oberhalb der Membran, strömt ein ganz klein wenig Gas aus der Öffnung heraus, so dehnt sich auch die Membran etwas in Richtung des geringeren Drucks, wie in Abbildung 4 dargestellt.

Geringste Wölbungen der Membran können mit Dehnungs-Messstreifen extrem genau ermittelt werden. Somit ist die Veränderung der Membran ein Maß für den Druck und wird zur Höhenmessung verwendet.

Steigrate
Außer der absoluten Höhe ist im Modelflug die Steig- oder Sinkgeschwindigkeit, also die Veränderung der Höhe, von Interesse. Beim manntragenden Fliegen wurde diese gemessen, indem man ein Relativdruck-Manometer am einen Ende offen ließ und am anderen an ein Gefäß anschloss, das neben dieser Anschlussstelle noch eine weitere Öffnung in Form einer Kapillare besaß – siehe Abbildung 6.

Das offene Ende registriert Druckänderungen sofort. Das am Gefäß angeschlossene Ende folgt verzögert. Der Grund ist leicht zu erkennen: Verändert sich der Druck um das Gefäß herum, wird im Zuge des Druckgefälles die Luft daran gehindert, gleichschnell durch die Kapillare aus dem Gefäß zu gelangen. Erst wenn die äußere Druckveränderung zum Stillstand gelangt, gleicht sich der Druck innerhalb des Gefäßes langsam dem äußeren Druck an. Somit hat man ein einfaches Messgerät, dass immer dann anspricht, wenn sich der äußere Druck verändert, zum Beispiel durch Steigen oder Sinken eines Modells. Die Ansprechstärke ist von der Geschwindigkeit der Druckveränderung und somit der Steig- oder Sinkgeschwindigkeit abhängig. Diese einfache Form eines mechanischen Variometers ist in der manntragenden Luftfahrt heute noch üblich. Der Vorteil dieser Methode ist, dass man keine Hilfsenergie, beispielsweise in Form eines Akkus benötigt. Nachteilig ist, dass das Messsignal, bedingt durch die nur langsam einströmende Luft, immer etwas verzögert ansteht, wie Abbildung 7 demonstriert.

Verzichtet man auf den Vorteil des energiefreien Betriebs, dann lassen sich Steig- und Sinkgeschwindigkeit mit Hilfe einer Software aus dem Drucksignal berechnen. Im einfachsten Fall werden in kurzer Folge zwei Messwerte für den Druck und damit für die absolute Höhe digital aufgenommen. Teilt man nun die Differenz der beiden Messwerte durch die Zeitdauer zwischen ihrer Aufnahme, dann erhält man direkt die Steig- und Sinkgeschwindigkeit. Mathe­matisch ist dies eine numerische Differentiation – siehe Abbildung 8.

Der Vorteil ist, dass man wieder die kostengünstigen und extrem genauen Halbleitersensoren verwenden kann, ohne zusätzliches Speichervolumen bereitzustellen. Zusätzlich erfasst der gleiche Sensor die absolute Höhe wie auch die Steig- oder Sink­ge­schwindigkeit. Mit heutigen Variometern, die zusammen mit der gesamten Telemetrie oft schon für unter 200,– Euro erhältlich sind, können Steigraten mit einer Genauigkeit von bis zu 5 Zentimeter pro Sekunde aufgelöst werden.

Energie-Kompensation
Für den praktischen Betrieb hat ein Variometer der bisher beschriebenen Art durchaus einen Nachteil. Es zeigt jede Höhenänderung kompromisslos an. Es macht also auch keinen Unterschied, ob diese Höhenänderung auf einen echten Aufwind zurückzuführen ist oder aber dadurch erzielt wurde, dass der Pilot nur beherzt das Höhenruder betätigt hat. Viel angenehmer wäre es hingegen, wenn beide Effekte möglichst voneinander getrennt würden. Doch worin besteht der Unterschied, aufgrunddessen man eine solche Differenzierung vornehmen könnte?

Ein fliegendes Modell besitzt eine Gesamtenergie, die sich aus zwei Teilen zusammensetzt. Zum einen hat es eine so genannte Lageenergie oder auch potenzielle Energie. Da es sich aber mit einer bestimmten Geschwindigkeit bewegt, kommt noch ein Anteil Bewegungsenergie hinzu. Diese wird kinetische Energie genannt. Steigt ein Modell ohne äußeren Aufwind nur durch Betätigung des Höhenruders, so ändert sich die Gesamtenergie nicht. Es wird lediglich ein Teil der kinetischen Energie in potenzielle Energie umgewandelt. In der Folge wird das Modell zwar steigen, dabei aber auch langsamer werden. Dem Steigen sind daher enge Grenzen gesetzt.

Vollkommen anders sind jedoch die Verhältnisse, wenn das Steigen von einem Aufwind, sei es Thermik oder Hang­auf­wind, herrührt. Das Modell steigt, ohne seine Geschwin­digkeit zu ändern. Es gewinnt also potenzielle Energie, ohne dass dazu kinetische Energie verbraucht wird. In der Bilanz gewinnt es also Energie. Diese Form des Steigens ist die eigentlich interessante.

Mal wieder Bernoulli
Um sie messtechnisch zu erfassen, greift man, wie so oft in der Fliegerei, auf das Gesetz von Bernoulli zurück. Dieses besagt, dass in einem strömenden Medium der Druck aus zwei Anteilen besteht, einem statischen und einem dynamischen, deren Summe konstant ist. Umströmt man einen Körper, zum Beispiel ein kleines Rohr wie in Abbildung 9 gezeigt, dann stellt sich vor und hinter dem Rohr ein leicht erhöhter Staudruck und an den Seitenflanken ein Unter­druck ein. Denn direkt vor dem Rohr verlangsamt sich die Strömungsgeschwindigkeit. Im Gegenzug setzt durch die Verengung der Strömung an den Seitenflanken wiederum eine Beschleunigung der Strömung ein. Der Staudruck erhöht sich mit zunehmender Anströmgeschwindigkeit während der dynamische Druck abnimmt.

Misst man nun den Druck an einer bestimmten Stelle am zurückliegenden Teil der Flanken des umströmten Rohrs, indem man kleine Bohrungen in das Rohr einbringt und das Rohr einseitig an einem Drucksensor eines Variometers anschließt – das andere Ende des Rohrs ist geschlossen – dann kommt es zu einer Kompensation der Energiever­schiebungen. Dies lässt sich anhand eines konkreten Beispiels leicht verstehen.

Drei Fälle
Zunächst wird der Fall betrachtet, bei dem das Modell ohne äußeren Aufwind nur durch Betätigung des Höhenruders steigt. Dann wird mit zunehmender Höhe der Umgebungs­­druck sinken. Parallel sinkt auch der ­dynamische und der Staudruck, nämlich um denselben Betrag. Im gleichen Moment reduziert sich die Flug­geschwindig­keit, sodass mit dem gleichzeitigen Absinken der Strömungsge­­schwin­digkeit um das Rohr der dynamische Druck – der ja niedriger ist als der Umgebungs­druck – wieder ansteigt. Er wirkt der Druck­abnahme durch den Höhengewinn ent­­gegen. Ist die Position der Bohrungen richtig gewählt, kompensieren sich die beiden gegenläufigen Druck­ände­rungen und das Messgerät erkennt keine Veränderung des Drucks. Dann zeigt das Variometer auch kein Steigen an, obwohl das Modell an Höhe gewinnt. Es gewinnt eben nicht an Gesamtenergie.

Im zweiten Fall erfolgt der Höhengewinn nur durch äußeren Auftrieb, die Fluggeschwindigkeit verändert sich aber nicht. Jetzt wird sich der dynamische Flankendruck, wie auch der Staudruck, genau so verändern wie der statische Druck durch die Flughöhe. Der Drucksensor misst damit eine Druckänderung und das Variometer meldet „Steigen“. Präziser müsste man sagen, es meldet einen Gewinn an potenzieller Energie.

Der dritte Fall tritt ein, wenn das Modell durch den Aufwind zum Beispiel durch Gegensteuern des Piloten an Geschwin­digkeit gewinnt, ohne die Flughöhe zu ändern. Dadurch steigt bei gleich bleibender Höhe die Anströmgeschwindig­keit und der dynamische Druck auf die Flanken des Rohrs sinkt. Auch hier meldet das Variometer, bedingt durch den Druckabfall, „Steigen“ und meint eigentlich wieder einen Energiegewinn – dieses mal in Form von kinetischer Energie.

Eine solche modifizierte Messmethode nennt man „Totale Energie-Kompensation“ und das Messrohr wird allgemein als TEK-Düse bezeichnet. Die in Abbildung 9 gezeigte Bohrungs­an­ordnung findet sich bei der nach ihrem Entwickler benannten Nicks-Düse. Es gibt verschiedene Konzepte von Bohrungen und Schlitzen im Messrohr. Die Nicks-Düse hat sich allgemein als die am wenigsten schiebeempfindliche erwiesen – siehe Abbildung 10. Man kann sie leicht selbst bauen. Die Position der Bohrungen ist durch Ausprobieren zu ermitteln. Aber selbst wenn die Kompensation durch die Nicks-Düse nicht vollständig sein sollte, so ist sie doch eine wertvolle Verbesserung eines Variometers.

Allerdings bewirkt die Druckverminderung durch die Um­­strömung des TEK-Rohrs eine gewisse Fehlmessung der ab­­soluten Höhe. Sollen Höhe und Höhenveränderung mit dem gleichen Sensor zusammen mit einer TEK-Düse gemessen werden, muss man sich darüber im Klaren sein, dass die gemessene Höhe die wahre Höhe immer etwas überschätzt. Sollen beide Messwerte mit großer Ge­­nauig­keit erfasst werden, sind zwei Sensoren einzusetzen. Weil Sensoren heut­zutage wenig kosten, sollte das kein Problem darstellen.

Zweitverwertung
Wie schon bei den Kreisel-Systemen gesehen – siehe den Grund­lagenartikel in FlugModell 2/2010 – ­leistet modernste Mikrosystemtechnik auch bei den Variometern beste Dienste. Sie macht eine zuvor extrem teure und aufwändige Technologie für die Hobbykasse erschwinglich. Zudem liefern Variometer für uns Modell­flieger eine Reihe sehr wertvoller Informationen, die nicht nur bei Wettbewerben, sondern auch allgemein, deutliche Vorteile bringen können.