Basis zu Profilen und Kräften

Bisher haben wir schon viel über Profile und ihre Anwendung erfahren. Aber so richtig ins Detail sind wir dabei noch nicht gegangen. Es fällt auf, dass es zwar eine schier unüberschaubar große Zahl von verschiedenen Profilen gibt, sich aber bei der Mehrzahl der Modelle nur eine recht kleine Auswahl daraus immer wiederfindet. Nach welchen Kriterien wird eigentlich die genaue Form eines Profils bestimmt und welche Eigenschaften verbinden sich damit? Das sind viele Fragen. Versuchen wir daher, zu Beginn Ordnung ins System zu bringen. Um zu verstehen, in welchen Eigenschaften sich Profile durch ihre Formgebung unterscheiden, muss man zunächst die wichtigsten Eigenschaften kennen. Kräfte Die zentrale Aufgabe eines Profils ist es, über die Tragfläche Auftrieb zu erzeugen, damit ein Modell der Schwerkraft trotzen kann. Wie das genau funktioniert, wurde im Beitrag „Warum fliegt ein Flugzeug“ in FlugModell 1/2009 dargestellt. Der Grund ist, dass durch die Formgebung eine Strömung ober- und unterhalb des Profils erzeugt wird, die dazu führt, dass unter dem Profil ein Überdruck und ­darüber ein Unterdruck entsteht; siehe Abbildung 1. Doch wie kommt es nun von einem Druck zu einer Auftriebskraft? Die Frage ist im Detail gar nicht so trivial, wie sie zunächst klingen mag. Um sie zu beantworten, gilt es, ein wenig in die Grundlagen der Physik abzuschweifen. Fläche, Druck und Kraft Man unterscheidet in der Physik grundsätzlich zwischen zwei Typen von Größen. Die einen sind so genannte gerichtete Größen, wie die Geschwindigkeit, die Beschleunigung aber auch Kraft. Gerichtete Größen hängen von ihrer Aus­­richtung ab. Bewegt sich zum Beispiel ein Fahrzeug streng von Osten nach Westen, so hat es eine Geschwindig­keits­komponente eben in diese Richtung. In Nord-Süd-Richtung ist seine Geschwindigkeit aber Null. Ebenso muss zum Bei­­spiel die Auftriebskraft nach oben wirken, damit sie gegen die Gewichtskraft, die nach unten zeigt, ankommt. Beide Kräfte sind also gerichtet, aber eben gegeneinander. Der Physiker spricht von „antiparallel“; vergleiche Abbildung 2. Hingegen sind ungerichtete Größen, wie beispielsweise die Temperatur, das Volumen, die Masse oder der Druck, wie die Bezeichnung „ungerichtet“ schon aussagt, vollkommen unabhängig von ihrer Orientierung. Zwar kann eine Tem­peratur an verschiedenen Orten unterschiedlich sein, sie hängt aber nicht davon ab, wie wir das Thermometer ­halten; siehe Abbildung 3. Beim Profil – oder besser: bei der Tragfläche als einem ausgedehnten Profil – gibt es nun ein fundamentales Problem. Durch die Umströmung entsteht ein Drucksystem. Doch was wir benötigen, ist kein Druck, sondern eine Kraft. Es ist also nötig, Druck durch eine geeignete Maßnahme in Kraft zu verwandeln. Transformation Grundsätzlich erzeugt man aus einer ungerichteten Größe eine gerichtete, indem man sie mit einer gerichteten Größe multipliziert. Das klingt vielleicht furchtbar kompliziert, ist jedoch sehr einfach. Im Fall der Überführung eines Drucks als ungerichtete Größe zu einer Kraft als gerichtete Größe, benötigt man eine Fläche. Tatsächlich sind auch Flächen gerichtete Größen. Dies mag nicht auf Anhieb einsehbar sein, denn eine Fläche verändert ja ihren Inhalt nicht, wenn man sie im Raum dreht. Aber man beschreibt eine Fläche auch durch eine so genannte Projektion, die sie gleichsam als Schatten auf eine Wand oder den Boden wirft. Und eben diese Pro­­jektionen ändern sich je nach Lage der Fläche im Raum, wie in Abbildung 4 dargestellt. Die Richtung der Fläche wird dabei mit der Orientierung angegeben, in der sie am größten erscheint, das heißt, in die Richtung, in die sie „schaut“. Man ordnet der Fläche einen so bezeichneten Flächen- oder Normalen-Vektor zu, der senkrecht auf ihr steht. Das ist wichtig, um zu verstehen, was passiert, wenn auf diese Fläche als gerichtete Größe ein Druck als ungerichtete Größe wirkt. Tatsächlich erzeugt der Druck dann – als Wirkung auf die Fläche – eine Kraft mit eben der Richtung des Flächenvektors. Jetzt lässt sich verstehen, wie über einer Tragfläche aus dem Druck in Kombination mit der Oberfläche eine Auftriebskraft entsteht. Ab diesem Augenblick gewinnt die Form der Oberfläche an Bedeutung. Auftrieb mit Haken Leider ist es in der Physik oft so, dass man sich eine gewünschte Wirkung mit einer negativen Begleit­erscheinung erkauft. So ist das auch beim Auftrieb. Viele Profile erzeugen erst dann eine relevant hohe Auftriebskraft, wenn sie einen gewissen Anstellwinkel zur Anströmung besitzen. Betrachten wir zunächst dazu mal das einfachste, denkbare Profil: die ebene Platte, wie in Abbildung 5 gezeigt. Die umströmte Platte erzeugt mit Hilfe der Druckverteilung eine Auftriebskraft in Richtung ihres Flächenvektors. Da sie natürlich erst dann Auftrieb erzeugt, wenn sie einen Anstellwinkel größer als null Grad besitzt, ist ihr Flächen­vektor und damit auch die Auftriebskraft um eben den Anstellwinkel nach hinten gekippt. Somit gibt es aber nicht nur eine vertikale Kraftkomponente, sondern auch eine nach hinten gerichtete horizontale. Da sie aber nach hinten gerichtet ist, wirkt sie bremsend auf die Tragfläche. Das ist ärgerlich. Denn je höher der Anstellwinkel und damit der Auftrieb ist, umso stärker fällt die rückwärts gerichtete Kraft-Komponente aus und umso höher ist der Widerstand. Eine Tragfläche erzeugt also alleine durch diesen Effekt schon eine Widerstandskraft, selbst wenn die Oberflächenreibung außer Acht gelassen wird. Die ebene Platte eignet sich als Tragflächenprofil nicht besonders gut für effiziente Modelle. Tatsächlich findet man sie in der Regel auch nur bei sehr leichten Indoorfliegern, bei denen die Widerstandskraft aufgrund einer starken Übermotorisierung keine so große Rolle spielt. Hingegen wird man mit einer ebenen Platte kaum einen guten Segler konstruieren können. Rundungen Ganz anders hingegen sieht die Sache aus, wenn man eine etwas aufwändigere Profilkonstruktion zulässt. Formt man nämlich das Profil zu einem Tropfen, so wird die Oberfläche automatisch gebogen sein. Das bedeutet aber, dass es keine eindeutigen Flächenvektoren mehr gibt. Denkt man sich jedoch die gebogene Oberfläche in viele kleine gerade Stücke zerlegt, so kann man jedem kleinen Element einen Oberflächenvektor zuordnen. Und tatsächlich wird die zugehörige Auftriebskraft als Kombination aus diesem lokalen Flächenvektor und dem Druck eine lokale Auftriebskraft ergeben, die nicht überall nach hinten gerichtet ist – selbst wenn das Profil einen positiven Anstellwinkel hat, wie in Abbildung 6 skizziert. Und tatsächlich zeigt ein tropfenförmiges Profil bei ­gleichem Auftrieb einen deutlich geringeren Widerstand, wie Abbildung 7 veranschaulicht. Daraus lässt sich nun schließen: Je weiter hinten die maximale Dicke liegt, desto geringer wird der Widerstand. Dieser Dicken-Rücklage beim symmetrischen Profil beziehungsweise der Wölbungs-Rücklage beim unsymmetrischen Profil sind jedoch anderweitig enge Grenzen gesetzt. Über 40 Prozent der Profiltiefe (Dicken-Rücklage) kommt man im Modellflug nicht hinaus; vergleiche dazu die Artikel „Wenn die Luft zäh ist“ aus FlugModell 7/2009 und „Die Tiefe der Oberfläche“ aus 9/2009. Doch das ist auch nicht so tragisch, denn die größten Druckeffekte liegen üblicherweise im vordersten Drittel der Profiltiefe. In der Regel ist es also besser, dem Profil eine Tropfenform zu gönnen.
 

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