Basis zu Profilen und Kräften

Rücklagen In Erweiterung dieser Erkenntnis wäre es also empfehlenswert, den ansteigenden Teil des Profils möglichst lange fortzusetzen, also eine hohe Rücklage der Wölbung und der Dicke zu gewährleisten. Und tatsächlich findet man diesen Vorteil beim Vergleich zweier Profile ähnlicher Wölbung und Dicke wieder; dargestellt in Abbildung 8 bei Re = 200.000. Allerdings ist dieser Vorteil zumindest im Re-Zahl-Bereich des Modellflugs nur gering ausgeprägt und zudem nur bei recht hohen Re-Zahlen, das heißt, hohen Geschwindig­keiten zu finden. Tatsächlich kehrt sich der Vorteil bei ­geringen Re-Zahlen sogar vollkommen um; siehe Ab­­bildung 8 bei Re = 50.000. Dort hat das Profil mit der sehr geringen Wölbungs- und Dicken-Rücklage merkliche Vorteile. Der Grund für dieses erstaunliche Verhalten begründet sich in der Ablösung der Strömung. Bei starker Rücklage muss die Kontur des Profils bei einer bestimmten Profiltiefe rasch absinken, um an der Endleiste mit der Kontur der Unterseite zusammentreffen zu können. Eine rasche Formänderung ist die Folge. Strömungen mit geringen Geschwindigkeiten sind jedoch nicht in der Lage, dieser Kontur zu folgen. Sie lösen sich ab. Als Konsequenz bricht der Auftrieb stark ein und der Widerstand wächst an, da abgelöste Strömungen stark Verlust-behaftet sind. Zusätzlich verschärft wird die Situation durch eine geringe Profiltiefe, denn in dem Moment ist die absolute Form­änderung noch viel stärker ausgeprägt. Ist die Rücklage hingegen gering, so kann die Reduzierung der Dicke hin zum Ende des Profils auf einer langen Strecke erfolgen. Die Änderung ist dann nicht so stark und die Strömung hat selbst bei geringeren Geschwindigkeiten noch Chancen, zumindest etwas länger anzuliegen. Viele moderne Profile, die im Modellflug verwendet werden, folgen leider der Philosophie der starken Rücklage. Und dass, obwohl sich die Vorteile im Modellflug gar nicht zeigen, beziehungsweise sogar in Nachteile verwandeln. Solche Profile sollten bis auf sehr wenige Aus­nahmen dem manntragenden Flug vorbehalten bleiben. Dort fliegt man bei wesentlich größeren Re-Zahlen als im Modellflug üblich. Leider wird wohl aus Gründen des Verkaufs­argu­ments oft zu diesen, im Grunde ungeeigneten Profilen, gegriffen. Ein besonders trauriges Beispiel ist, dass gerade bei Einsteiger-Modellen das für Modelle sehr gute und bewährte Profil Clark Y durch das modernere E205 abgelöst wurde. Allerdings ist dieses gerade bei kleinen Modellen dem Clark Y weit unterlegen. Das E205 hat erst bei Re- Zahlen von über 300.000 leichte Vorteile – ein Wert, der selbst von Großmodellen nur selten erreicht wird. Auftriebskraft Die gleiche Betrachtung gilt nun auch für gewölbte Profile. Im Vergleich zu ungewölbten, das heißt zu symmetrischen Profilen, erzeugen sie eine bei gleichem Widerstand teilweise deutlich höhere Auftriebskraft; vergleiche dazu „Warum fliegt ein Flugzeug“ aus FlugModell 1/2009. Diese Erkenntnis ist sehr relevant. In der Regel soll ein Modell langsam fliegen, und dabei kann die Auftriebskraft kaum hoch genug sein. Auch beim gewölbten Profil bietet es sich an, die lokalen Auftriebskraft-Anteile gerade im vorderen Drittel des Profils, in dem der Druckeffekt am deutlichsten ausgeprägt ist, möglichst nicht nach hinten, sondern nach vorne zu kippen. Das erreicht man am besten durch eine hohe Wölbungs­rücklage bei moderatem Anstellwinkel. Leider erkauft man sich diesen Vorteil mit teils gravierenden Nachteilen, zum Beispiel der Gefahr von Strömungsabrissen. Im Endeffekt besitzen Profile mit einer geringeren Wölbungs-Rücklage, gerade bei sehr kleinen Modellen, deutliche Vorteile. Symmetrische und gewölbte Profile Als Wölbung bezeichnet man die Durchbiegung der gedachten Mittellinie (Skelettlinie) eines Profils gemessen zur Profilsehne. Letztere entspricht einer gedachten Linie, die zwischen Nasenleiste und Endleiste liegt. Skelettlinie und Profilsehne haben den gleichen Anfangs- und Endpunkt, siehe Abbildung 9. Die Wölbung wird als Maß des Abstands der größten Entfernung der Skelettlinie von der Profilsehne bestimmt, und zwar relativ zur Länge der Profilsehne. Daher findet man Angaben zur Wölbung immer in Prozent ausgedrückt. Tatsächlich kann man feststellen: Je größer die Wölbung ist, umso mehr nimmt der Auftrieb bei gleichem Anstellwinkel und gleicher Anströmgeschwindigkeit zu. Ein stark gewölbtes Profil erzeugt also eine viel größere Auftriebskraft als ein schwach gewölbtes. Warum jedoch werden Profile mit einer Wölbung von null Prozent („symmetrische“ Profile) überhaupt verwendet, wenn sie tatsächlich weniger Auftrieb erzeugen, als Profile mit einer Wölbung, die größer ist als null Prozent? Die Antwort ist einfach: Manch ein Modell­pilot möchte nicht nur mit seinem Leichtwindsegler gemütlich in der Thermik kreisen, wofür ein stark gewölbtes Profil sinnvoll ist, sondern auch mal ein wenig Kunstflug betreiben. Kunstflugfiguren mit ausgedehnten Rückenflug­passagen sind hierbei von besonderem Interesse. Im Rückenflug muss die Tragfläche genau umgekehrt arbeiten. Aus Sicht des Flugzeugs erzeugt sie Abtrieb. Ein Hochauftrieb-Profil mit starker Wölbung ist dazu schlicht nicht in der Lage, wie Abbildung 10 (grünes Profil) demonstriert. Es kann gar nicht so stark negativ angestellt werden, dass es, vor dem Strömungsabriss, in der Lage wäre, einen negativen Auftrieb zu erzeugen. Verwendet man hingegen ein nicht gewölbtes, symmetrisches Profil, so ist es gar kein Problem, den negativen Bereich zu nutzen (Abbildung 10, rotes Profil). Allerdings erkauft man sich die gewünschte Eigenschaft eines geringeren Auftriebs auch im positiven Bereich. Modelle mit symmetrischen Profilen sind bei gleicher Masse und gleichem Tragflächeninhalt immer merklich schneller, als solche mit stark gewölbten Profilen. Für reine Segler ist das jedoch sehr ungünstig. In der Regel ist der Auftrieb eines symmetrischen Profils zu klein, um ohne Antrieb und nur mit der Hilfe von Thermik oder Hangaufwind in der Luft zu bleiben. Aus diesem Grund verwendet man gerade bei Kunstflugseglern gerne so genannte „halbsymmetrische“ Profile (Abbildung 10, blaues Profil). Halbsymmetrisch ist umgangssprachlich und meint im Grunde schwach gewölbte Profile. Sie erzeugen gerade so viel Auftrieb, um einen Segler sinnvoll fliegen zu können. Im Gegenzug verfügen sie immer noch über die Möglichkeit, bei stark negativer An­­stellung ausreichend Abtrieb zu erzeugen, um auch ausgedehntere Rückenflug-Figuren zu fliegen. Bei Motormodellen, die nicht ausschließlich zum Kunstflug eingesetzt werden, kommen ebenfalls häufig „halbsymmetrische“ Profile zum Einsatz. Durch den etwas höheren Auftrieb erlauben sie im Normalflug eine geringere Fluggeschwindigkeit, ohne dass man alle ihre Nachteile hinnehmen muss. Dicke Wir haben schon gesehen, dass ein Profil in Tropfenform Vorteile im Profilwiderstand mit sich bringt und kaum einen höheren Widerstand besitzt als ein dünnes. Zudem kommt noch ein Vorteil aus einem anderen, nicht aerodynamischen Blickwinkel hinzu. Bei gleichem Materialeinsatz weisen dicke Querschnittsflächen eine deutlich höhere Biege­festigkeit auf als dünnere; vergleiche Artikel „Auf Biegen und Brechen“ in FlugModell 10/2009. Daher ist es durchaus sinnvoll, ein möglichst dickes Profil zu wählen. Daraus resultierende aerodynamische Nachteile sollte man jedoch kennen. Ist eine Oberflächenkontur zu stark gewölbt, so kann eine relativ langsame Strömung, also niedrige Geschwindigkeit, wie sie bei kleinen und leichten Modellen gewünscht wird, kaum erfolgen. Die Strömung löst sich ab und der Auftrieb bricht ein. Daher gilt: Das Profil kann umso dicker ausfallen, desto schneller das Modell fliegt und desto größer die Profil­tiefe und die Re-Zahl sind. Im Gegenzug sollten vor allem sehr kleine und leichte Modelle eher mit dünnen Profilen ausgestattet werden. Fazit Ein ideales Profil sollte eine dem Einsatz angemessene Dicke und Wölbung aufweisen. Dabei gilt: Möchte man langsamer fliegen, muss die Wölbung des Profils entsprechend höher gewählt werden, und zwar bei gleichzeitig reduzierter Dicke und Wölbungs-Rücklage. Vor allem die alten Profile der Göttingen-Reihe oder die vierstelligen NACA-Profile sind oft eine bessere Wahl in Bezug auf die Anforderungen des Modellflugs als moderne Laminarprofile. Diese können ihre eindeutigen Vorteile erst im Großmodell­bereich sowie im manntragenden Flug ausspielen.
 

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