FlyCamOne 3 – Fliegen mit Videobrille

Harry Potter machte es vor. Mit Vollgas durch das Quidditch-Stadion heizen, zwischen Toren und Engpassagen durchfliegend, immer das Ziel vor Augen. Ja, Harry ist Zauberlehrling – in einem Film. Doch genau das kann nun auch jeder Modellflieger. Und zwar virtuell – Mr. Potter fliegt ja auch nicht in der Realität. Wir Modellflieger gehen da sogar noch einen Schritt weiter und verlassen quasi unseren Körper, das soll uns der Zauberlehrling mal vormachen. Allerdings hilft uns hierbei die FlyCamOne 3 von ACME ein wenig. Denn mit ihr können wir unsere Augen sozusagen auf ein Modell schnallen und die Welt von oben betrachten. Völlig losgelöst von der Erde können wir uns so der Faszination des Fliegens hingeben und – dank des Headtracking-Systems – auch frei umsehen. Obwohl, genau genommen sind wir hier Harry Potter einen weiteren Schritt voraus. Denn wir fliegen in der Realität, nicht am Computer. Zurück zur Erde Auf die neue FCO3 musste die FPV-Comunity lange warten. Doch das Warten hat sich gelohnt, soviel ­vorweg. Denn bei der neuesten FlyCam-Generation hat der Hersteller ACME trotz längerer und umfangreicher Entwick­lungszeit der modernen 2,4-Gigahertz-Fernsteuertechno­logie Rechnung getragen und beim Video-Downlink die neue 5,8-Gigahertz-Funktechnologie eingesetzt. So erhält man eine absolut ­störungsfreie Bildübertragung. Dazu muss man wissen: Der Video-Downlink ist im Gegensatz zu unseren 2,4- ­Giga­hertz-Fernsteuerungen analog. Das heißt, dass der Empfänger keine codierten Signale verwertet, daher nicht Freund von Feind unterscheidet und so das Springen der Jump-Anlagen als Störungen einbaut. Die FCO3 besitzt noch viele weitere interessante Features, auf die sogar Harry Potter stolz wäre. Allem voran steht hier wohl das Baukasten-System. Denn die Kamera filmt mit einer Auflösung von 640 × 480 Pixel und kann mit mehreren Komponenten bestückt werden. Da die FCO3 einen Micro-SD-Kartenslot besitzt, nimmt sie selbst das Flugbild auf. Der Vorteil dabei: Eventuell auftretende Störungen durch die Funkübertragung finden nicht den Weg auf die Aufnahme. Die zusätzlich erhältliche 8-Gigabyte-Karte bietet Platz für mehrere Stunden Bild- und Tonaufnahme. Der Clou dabei: Auf der Rück­seite lässt sich ein Bildschirm einlegen, auf dem man das Video sofort begutachten kann. Und hier sind wir auch schon beim größten Feature der FlyCamOne 3: dem modularen Aufbau. Denn die Kamera lässt sich mit mehreren Zusatz-Elementen ausrüsten. In besagten Steckplatz passt nämlich statt des Bildschirms auch ein 5,8-Gigahertz-Übertragungs-Modul, das den Video-Downlink ermöglicht. Diesen empfängt die Ground-Station und gibt sie bei Bedarf direkt an ein Gerät weiter, das sich V-Eyes nennt. Das ist eine Videobrille, die mit ordentlicher Leuchtkraft und von Beginn an überzeugt. Zurückgefunkt In der Videobrille selbst sitzen zwei Sensoren, die das Nicken und Drehen des Kopfs registrieren und an die Kamera zurückfunken. Diese Daten lassen den beweglichen Kamerakopf gleichsinnig schwenken. So wird die Kopfbewegung mit Brille mit der Kamerabewegung synchronisiert und ein virtuelles Umsehen auf dem Modell simuliert. In das System ist also ein waschechtes Head­tracking-System integriert. Gelöst wurde dies in der Praxis mit zwei Zusatzmodulen, die mit 433 Megahertz funken. Hierzu steckt man den Empfänger seitlich in das Kamera-Modul und den Sender in das Basisteil des Transmission-Sets. Um einer bestimmt aufkommenden Verwirrung vor­zu­beugen, hier nun die Möglichkeiten der einzelnen Komponenten: Um einfach nur Flugbilder zu erhalten, genügt zunächst das Kamera-Modul der FCO3. Diese ist mit einem schwenkbaren Kamerakopf ausgerüstet, der sich über vier Tasten im O der Aufschrift FCO bewegen lässt. Videos speichert die FCO3 auf eine Micro-SD-Karte, die seitlich neben dem Ein-aus-Schalter ihren Platz findet. Daneben sitzt auch der Anschluss des Headtracking-Empfängers, an dem auch optional ein Tan/Tilt-System anschließbar ist. Mit diesem kann man den Kamerakopf über die eigene Fernsteuerung ausrichten. Dreht man die Kamera um 180 Grad, entdeckt man einen Mini-USB-Port zum Laden des Akkus und Downloaden der Daten, vier Tasten und ein kleines LC-Display. Leider muss zum Durchscrollen des Menüs das doch recht spärliche Display genügen, denn ein OSD (On-Screen-Display) ist nicht verfügbar. Zwar ist im angesteckten Bildschirm eine eventuelle Zeit und der Akku-Ladezustand zu sehen, nicht jedoch einer der Menüpunkte wie zum Beispiel Video, Foto, Observieren, Tonaufnahme, Wieder­gabe und so weiter. Da die Kamera für den liegenden Ein­bau konzipiert ist, sieht man das Live-Bild beim normalen In-der-Hand-Halten um 90 Grad gedreht. Und das ergibt auch durchaus Sinn, mit dem beiliegenden Halter lässt sich die FCO3 ganz einfach mittels Klett-Band an jedem erdenklichen Ort und Modell liegend – und damit Strö­mungs­günstig – montieren. Möchte man die Kamera ­hängend einbauen, kann man das Videobild mit dem rechten Knopf um 180 Grad drehen. Basis Auch an den 5,8-Gigahertz-Empfänger passt der kleine Bildschirm. Allerdings ist hier die viel komfortablere Variante für den Anschluss der Videobrille. Also runter damit. Darunter kommt ein kleines Mäuseklavier mit vier DIP-Schaltern zum Vorschein, mit denen insgesamt acht verschiedene Kanäle zur Video-Übertragung einstellbar sind. Dass der Kanal des Empfängers mit dem des Senders übereinstimmen muss, versteht sich von selbst. Die V-Eyes selbst können nun mit der Basis verbunden werden. Die Videobrille bezieht ihren Strom aus dem Akku des Transmission-Set-Empfängers, was das Laden vereinfacht. Die V-Eyes-Basis selbst besitzt auch noch mal einen Port. In diesem findet der Sender des Head-Tracking-Systems seinen Platz. Dieses Modul besitzt eine eigene Strom­quelle, die man mittels Mini-USB einfach laden kann. Das Sendemodul der Headtracking-Signale verfügt an der Stirnseite über einen Schiebeschalter, mit dem sich die Steuerrichtungen reversieren lassen. Die Tasten auf der Oberseite dienen zum manuellen Verstellen der Kamera ohne Videobrille. Die Videobrille selbst besitzt sogar eigene In-Ear-Kopf­hörer, mit denen der von der Kamera aufgenommene Ton live gehört werden kann. Die Qualität des Videobilds in einer Auflösung von 640 × 480 Pixel der V-Eyes gefällt selbst anspruchsvollen Augen. Die Leuchtkraft der Okulare genügt selbst ohne die mitgelieferte Gummischürze für ein kontrastreiches und farbenprächtiges Bild. Ganz klar, mit einem normalen Bildschirm kann man das Videobild nicht vergleichen, doch sind die Auflösung und der Kontrast mehr als ausreichend, um die Umgebung gut und klar zu erkennen. Da die Brille dank der externen Stromversorgung schön leicht ist, trägt sie sich selbst bei längeren Flügen immer bequem auf der Nase. Rechts oben findet sich – klein, bronzefarben und unscheinbar – ein Knopf. Dieser dient zum Resetten des Nullpunkts für das Headtracking-Systems. Aufgesetzt Ja, das Videobild kann trotz der 28 Frames in der Sekunde voll überzeugen. Die Farben sind kräftig, das Bild scharf und Gegenlichtaufnahmen meistert die Cam souverän. So gewappnet steht dem ersten Testflug nichts mehr im Weg. Das Trägermodell ist ein Cameleon 300 von Cadmicopter (siehe den Testbericht in FlugModell 06/2010), der die Kamera einfach oben aufgeschnallt bekam. Da die FCO3 recht leicht ist, fiel das zusätzliche Gewicht beim Flug­verhalten kaum auf. Leichte Vibrationen des Quadro­kopters machten sich im Videobild nicht bemerkbar, einzig eine drehende Luftschraube erzeugte schmale, schwarze Streifen. Diese störten jedoch nicht weiter und dank Headtracking-System muss man ja auch nicht direkt in den Propeller blicken. Da das Fliegen mit Videobrille auch für geübte Modell­flieger sehr gewöhnungsbedürftig ist, flog zunächst ein Helfer den Quadrokopter. Das Headtracking-System funktioniert bis an die Sichtgrenze ohne Unterbrechungen. Die Empfangsgrenze des Video-Systems liegt bei günstigen Bedingungen (freie Sicht, kein Nebel) bei etwa 300 Meter und kündigt sich durch Bildrauschen rechtzeitig an – bis das Bild dann gänzlich abbricht. Wieder im Empfangs­bereich steht die Verbindung jedoch sofort wieder. Da die FCO3 nicht nur senden kann, sondern auch gleichzeitig aufnimmt, kann nach dem Flug das Video am Laptop begutachtet werden. Fürs größere Publikum lässt sich per AV-Kabel die FlyCam auch direkt mit einem Fern­sehgerät verbinden. So kann man den Videoclip großformatig bestaunen. Bilanz Mit der FlyCamOne 3 bietet ACME ein FPV-Komplettsystem zum absoluten Kampfpreis an. Dass die Bild-Qualität der FlyCams sowieso über jeden Zweifel erhaben ist, dürfte sich ­herumgesprochen haben. Auch überzeugte die Darstellung der Videos am Display wie auch die der V-Eyes-Brille. Einzig die Kunststoff-Gehäuse könnten sich dem Inneren in puncto Hochwertigkeit noch etwas anpassen. Ganz klar, durch das 5,8-Gigahertz-Übertragungs­ver­fahren ist die Reichweite nicht besonders hoch, da der Hersteller natürlich die Bestimmungen von höchstens erlaubten 25 Milliwatt Sendeleistung nicht überschreitet. Trotzdem kommt gerade in Verbindung mit dem Headtracking-System und der Videobrille richtiges Fluggefühl auf. Harry Potter würde die FlyCam kaufen und bräuchte sich dann nicht mehr selbst ins Getümmel zu stürzen – ach, er fliegt im Gegensatz zu uns ja sowieso nicht wirklich.