Sopwith Pup – Oldtimer auf Wasserflugtrip

Ja, gibt’s denn so was? Dass sich einer extra einen Wohnwagen zulegt, um zum Wasserfliegen zu kommen? Klar gibt’s das. Ingo Ackermann ist mit Leib und Seele Modellflieger, seit etlichen Jahren. Seit Mai letzten Jahres gehört Wasserfliegen für ihn unbedingt zum Hobby – und ein Wohnwagen. Der Besuch des 18. Wasserflugtreffens in Plau am See 2009 entwickelte sich für Ingo Ackermann zum Stapellauf seiner zweiten Modellflugkarriere. Obwohl aus Bremen stammend – also umgeben von jeder Menge Wasser – spielte das nasse Element bis dato eine untergeordnete Rolle für ihn – in modellfliegerischer Hinsicht natürlich. Die freundschaftliche, ungezwungene, ja, herzliche Wasserfliegergemeinde in Plau zog auch ihn in ihren Bann. „Mich hat die Stimmung hier vom ersten Moment an begeistert. Ich wollte im nächsten Jahr, also 2010, unbedingt selbst mit einem Modell dabei sein.“ Gesagt, getan. Ein passendes Modell war vorhanden, nur der ­flexible Untersatz fehlte. „Der kam dann in Form eines Wohnwagens in diesem Frühjahr, rechtzeitig vor dem Treffen, ins Haus.“ Und fürs vorhandene Modell, eine Sopwith Pup mit zwei Meter Spannweite, gab's auch gleich zwei neue Untersätze. Secondhand Ingo Ackermanns Pup ist eine altgediente Dame, deren Eigenheiten er aufgrund unendlich vieler Flüge bis ins Kleinste kennt. Vor sieben Jahren sah er sie bei eBay und hatte beim Bieten Glück. Für 201,– Euro wechselte das fertig gebaute Modell den Besitzer. „Das war relativ wenig Geld, dafür musste ich aber auch ein paar hundert Kilo­meter fahren, um sie abzuholen – sie war jeden Kilometer wert.“ Zu dem Zeitpunkt hatte die Pup erst zwei Jahre auf dem Buckel. „Ich hab einen Hang zu Doppeldeckern, bevorzugt aus dem Ersten Weltkrieg. So habe ich beispielsweise noch eine S.E 5.a“, erklärt Ingo Ackermann. „Ein Motor gehörte nicht mit zum Modell. Den habe ich dann auch gleich dazu erworben.“ Und zwar einen umgebauten Kettensägenmotor vom Typ Dolmar, der sich über einen Anreißer ganz einfach und ohne zu zicken starten lässt. Der Hubraum liegt bei etwa 45 Kubikzentimeter und bietet damit genügend Volumen, um viel Leistung zu entfalten. Für die sonst 12 Kilogramm wiegende Sopwith kein Problem. „Sie fliegt sich mit nor­­malem Fahrwerk sehr gut. Beim Wasserfliegen sieht es da etwas anders aus. Hier wäre mehr Leistung wünschenswert.“ Das liegt zum Teil am gestiegenen Modellgewicht, andererseits zerren die Adhäsionskräfte des Wassers beim Starten an der Motorpower. „Man hat das Gefühl, als wirken die Schwimmer wie eine dritte Tragfläche. Besonders bei Wind ist sie anfälliger, da muss man schon aufpassen und sie gerade halten. Man muss alles Aussteuern und darf sie auch nicht aus den Augen lassen. Die Schwimmer erhöhen ja auch die Flächen­­belastung, das muss man mit einkalkulieren – auch beim Figurenfliegen. Eine Rolle ist drin, aber Loopings verkneife ich mir lieber, weil die Belastung zu hoch wäre und ich das Modell auch nicht verlieren möchte“, meint Ingo Ackermann. Ob das so bleibt? Um so mehr er mit leuchtenden Augen von seiner Wasser-Pup spricht, desto mehr überwiegt der Gedanke: der Looping wird kommen. Vielleicht nicht heute, aber irgendwann. Old fashioned Seine Pup macht ihm riesigen Spaß. Das hört man heraus. Das spürt und sieht man Modell und Pilot an. „Sie hat schon viel leiden müssen“, gibt Ingo Ackermann zu, „weil sie oft und bei jedem Wetter im Einsatz ist.“ Anfallende Reparaturen sind immer mit viel Sorgfalt und Liebe zum Modell gemacht worden. Entweder sind sie unsichtbar oder fügen sich nahtlos ins Gesamtbild ein. Alterungs­spuren lautet das Stichwort. Was sich nicht übertünchen lässt, wird optisch integriert. Oberflächlich betrachtet kann man nicht erkennen, ob Lackabplatzer und Aus­besserungen frei erfunden sind oder von einer wahren Reparatur stammen. Zunächst irritierend, doch dann ohne Zweifel ein Hin­gucker ist der Siebenzylinder. Der wirkt täuschend echt. Wenn man nicht wüsste, dass es eine Motorattrappe ist und dahinter die Dolmar werkelt, würde man ihr glatt auf den Leim gehen. Ursprünglich gehörte die Attrappe nicht zum Modell, sondern gesellte sich erst vor zwei Jahren hinzu – wieder nach einer eBay-Auktion. „Die musste sein. So sieht die Pup einfach schicker aus. Den Propeller-Mitnehmer habe ich extra von jemanden drehen lassen, damit alles passt.“ Obwohl man es erwartet hätte, ist die RC-Elektronik nicht zusätzlich gegen Wasser geschützt. Der Empfänger ruht unter dem Piloten, wird aber für die Zukunft wohl doch in eine Tüte eingepackt. Da keine Zündelektronik für den Motor vorhanden ist, kann hier auch nichts passieren. Der Vergaser ist geschützt hinter der Motorattrappe. „Ich hatte erst befürchtet, dass der Kerzenstecker Wasser abbekommt, aber das hat sich zum Glück nicht ergeben“, erklärt Ingo Ackermann. Modifiziert Selbstredend sind beide Schwimmer, die aus einem Styrodur-Block geschnitten wurden, mit Antikfolie bebügelt. Die zum Modell passende Farbe aus dem Baumarkt hatte er noch über. Auf den hier gezeigten Fotos hinterlassen die Schwimmer einen mitgenommenen Eindruck, was irgendwie auch zutrifft. „Das liegt an den Modifikationen, die ich heute morgen nach dem Frühstück vornehmen musste, damit die Pup besser aus dem Wasser kommt“, verrät Ingo Ackermann. „Gestern hob sie selbst bei Vollgas kaum ab. Vielmehr verirrten sich große Wassermengen in den Propellerkreis, was das Abwassern zum Glücksspiel machte.“ Kurzerhand änderte er den Befestigungswinkel, sodass der hintere Teil der Schwimmer deutlich höhergesetzt ist und sie das Modell vorne nicht mehr so stark nach unten drücken. Denn beim Start muss man die Pup andrücken können, was zuvor einfach nicht gelingen wollte. Mit zunehmender Geschwindigkeit ist das Höhenruder zu neutralisieren, dann kann sie auf Stufe kommen und abheben. „Heute, am Sonntag, ist es windstill und die Wasserober­fläche schön glatt, da kommt sie gut aus dem Wasser. Ich habe es nicht bereut, die Schwimmer zu modifizieren. Ich zeig’s Ihnen“, meint er und geht zurück zum Wohnwagen. Nanu, der See ist doch in die andere Richtung? Zum Abheben Mit einem Kanister Sprit und dem Sender in der Hand kommt er eine Minute später zurück. „Vorhin bin ich zwar nur kurz geflogen, doch die Tankfüllung reicht jetzt für 6 bis 8 Minuten fliegen. Mit normalem Fahrwerk sind es deutlich mehr. Da fülle ich den Tank besser auf.“ Muss sich die Sopwith Pup auch noch mit Vollgas gegen Wind durchsetzen, reduziert der die Flugzeit nochmals. Die Schwimmer-Pup verlangt dem Motor einfach mehr Leistung ab. Ein gekonnter Griff mit beiden Händen an den Rumpf, ein par Schritte gehen, absetzen und schon dominiert die Pup die Szenerie am Plauer Sandstrand. Umrahmt von Schilf und frischem Grün sowie kleinen, heranplätschernden Wellen zeigt sie sich der Kamera von ihrer Schokoladen­seite. Knattergeräusche der Dolmar drängen sich dazwischen und kündigen die Abfahrt an. Weiter draußen auf dem See gibt der Pilot langsam Vollgas. Wie angekündigt geht der Doppeldecker auf Stufe, hebt einige Meter weiter ab und gewinnt parallel zum Lächeln auf dem Gesicht von Ingo Ackermann an Höhe. Es folgen zahlreiche tiefe Vorbei­flüge im Zeitlupentempo sowie touch and go-Manöver. Alles für den Kameramann, der sich wie der Pilot nicht am Flugbild sattsehen kann. Das Landen gelingt mühelos. Doch zurück zum Strand will sie zunächst nicht, weil etwas ablandiger Wind weht und die Pup auf den See rausdrückt. Es kommt, was kommen muss: Der Motor geht aus. Zum Glück steht das Schlauch­boot-Team für eine Rückholaktion bereit. Ganz klar, das Wasserruder muss noch größer werden. Abfahrt Zurück an Land darf die Pup in der Sonne trocknen, bis sie abgetakelt wird. Zum Abbauen sind alle Verspannungen und Streben zu lösen. Da die Verspannungen mit Schnell­verschlüssen versehen sind wie sie im Schiffsmodellbau verwendet werden, dauert der Vorgang nur 10 Minuten. Rein theoretisch ließen sich jetzt im Handumdrehen die Schwimmer durch Lösen von ein paar Schrauben demontieren und die Räder für ein Rollout anbringen. Heute aber nicht mehr. Es ist bereits Sonntagmittag und Ingo Ackermann hat gut dreieinhalb Stunden Autofahrt vor sich. Transportfreundlich zerlegt verschwindet die Sopwith Pup im Wohn­wagen – dem etwas anderen Flugzeugträger.