Telemetrie im Modellflug

Vor Jahren war es für viele Modellpiloten ein Traum, Messdaten aus dem Modell im Flug zum Piloten am Boden zu übertragen. In den letzten zwei Jahren ist dieser Traum wahr geworden und nun bieten ­zahlreiche Hersteller von Fernsteuersystemen und -zubehör integrierte Telemetrie-Lösungen und entsprechende ­Sensoren an. Was wird uns hier in naher Zukunft erwarten? Mit Telemetrie umschreibt man die Technik, Messwerte vom eigentlichen Messort zu einem anderen Standort zu übertragen. Die ersten Telemetrielösungen waren Variometer. Es gab dann Systeme, die, losgelöst von der Übertragung der Fernsteuerdaten, Messwerte erfassten und via Funk zum Piloten übertrugen. Mit Aufkommen der 2,4-Gigahertz-Fernsteuersysteme (GHz) stand aufgrund der verwendeten WLAN-Komponenten eine bidirektionale Übertragungsstrecke mit einem Rückkanal mit großer Bandbreite zur Verfügung und damit auch eine ge­­nügend schnelle Datenübertragung. Wichtig ist, dass der Rückkanal bei den unterschiedlichen Systemen und auch den Empfängern einer Produktlinie, unter Umständen nicht die gleiche Sendeleistung wie der Fernsteuerkanal aufweist. Möchte man Telemetrie während des gesamten Flugs sicher nutzen, dann sollte man darauf ­achten, dass die Leistung des Rückkanals nicht zu gering ist. In der zivilen Luftfahrt wird im großen Stil Telemetrie angewandt und so werden wichtige Flugzeugparameter, besonders Daten der Triebwerke und der Kraftstoffversorgung, über Kurzwellen- oder Satelliten-Links übertragen, wie zum Beispiel mit dem HDFL-System. In den Zentralen der Fluggesellschaften laufen die Daten zusammen und so lassen sich auch Fehler im Vorfeld entdecken und schon vor der Landung entsprechende Wartungs­arbeiten vorbereiten. Datenaufzeichnung Um die technischen Daten im Modellflug zu ­erfassen, nutzte man auch schon zu Zeiten des 35-MHz-Funks Sensoren mit Loggern, wie beispielsweise das UniLog von SM Modellbau. Mit dem Aufkommen der ersten bidirektionalen 2,4-GHz-Systeme wurden diese Daten dann in ein für das Fernsteuersystem kompatibles Format gewandelt und übergeben. Jeti war einer der ersten, die ein solches System angeboten haben und so machte SM Modellbau sein System fit für den Betrieb mit Jeti und später auch für Multiplex. Damit ist nun auch die Echtzeitübertragung möglich. Wer sich speziell mit dem Elektro- oder dem Turbinenflug beschäftigt, wird aber auch auf eine Offline-Analyse der Daten nach dem Flug nicht verzichten wollen. Wir beschäftigen uns also hier nicht nur mit dem eng gefassten Begriff der Tele­metrie, sondern der Messwert-Erfassung im Allgemeinen. Und damit sind wir beim aktuellen Ziel: Die Daten nicht alleine im Modell aufzuzeichnen, sondern diese zu übertragen, im Sender zu speichern und schließlich über eine Software oder direkt auszuwerten. Sensoren Viele wichtigen Parameter lassen sich von den Telemetrie-Systemen beziehungsweise deren Sensoren erfassen. Der Praxis­nutzen von Telemetrie, also der Messwert-Erfassung, ist besonders für Elektro- und Turbinenflieger offensichtlich. Leider sind Sensoren und Empfänger unterschiedlicher Hersteller nicht kompatibel. Dass müsste nicht so sein, aber man hat einfach versäumt, einen genormten Stan­dard zu schaffen, wie das beim WLAN der Fall ist. Versäumt ist wohl in diesem Zusammenhang auch nicht ganz das richtige Wort, denn über die Nichtkompatibilität er­­gibt sich für den Käufer eine Produkt­bin­dung. Technisch unterscheiden sich die meisten Systeme gar nicht so sehr. Zum Teil werden die gleichen Chipsätze in den Fernsteuer­systemen benutzt. Sensoren gibt es zurzeit zur Erfassung der Geschwindigkeit, der Höhe, der 2D-/3D-Strecke (GPS), des Stroms und der Spannung von Empfänger, Servos und Motor, der Drehzahl, der Temperatur, des Tankfüllstands und der Daten aus der ECU bei Turbinenmodellen. Dabei kommen für die Messung eines Parameters zum Teil unterschiedliche Messverfahren zum Einsatz. Geschwindigkeit lässt sich über GPS oder über Staurohr ermitteln, wobei es sich aber eigentlich nicht um den gleichen Parameter handelt denn mit GPS wird die Geschwindigkeit über Grund und mit dem Staurohr die eigentliche Geschwindigkeit des Flugzeugs im Medium Luft ermittelt. Auch die Höhe lässt sich über GPS oder über einen Luftdrucksensor erfassen. Wie beim GPS-Logger von SM Modellbau ­lassen sich beide Messverfahren dann auch kombinieren. Bei der Drehzahl gibt es entweder die Möglichkeit einer optischen Messung durch Lichtunterbrechung auf einem fotoelektrischen Sensor oder durch eine elektrische Messung an einer Phase des Motorreglers. M-Link bietet zusätzlich eine Messung mit Magnet. Selbst bei der Strommessung kommen in der Praxis unterschiedliche Verfahren zum Einsatz. Hier werden unter anderem Shunts eingesetzt. Das sind Widerstände mit sehr kleinem Widerstandswert, an denen der Spannungsabfall erfasst und so der Strom berechnet wird. Der elektrische Wider­stand eines Shunts folgt aber in Serie zum Akku-Innen­widerstand. Auch wenn dieser Zusatzwiderstand im Verhältnis zum Innenwiderstand des Akkus klein ist und keine große Bedeutung hat, lässt er sich vermeiden. Es gibt nämlich Stromsensoren, die ein Hallelement ver­wenden. Im Prinzip ist das so etwas wie eine kleine Stromzange, bei der der Strom über eine Messung am Magnetfeld ermittelt wird. Aber auch solche Sensoren haben Prinzip-bedingte Nachteile: sie müssen temperaturkompensiert werden. Zudem sind sie in der Praxis etwas ungenauer, bieten dafür aber eine elektrische Potenzial­trennung zwischen Strom- und Messschaltkreis. In der Praxis sind beide Verfahren brauchbar. Die richtige Wahl des Sensors ist bei Stromsensoren von Bedeutung. Man sollte immer einen Sensor wählen, dessen Maximalstrom nicht zu weit über dem zu messenden Maximalstrom liegt, um hier eine entsprechend gute Genauigkeit der Messung zu garantieren. Bei 30 Ampere (A) Maximal­strom ist ein 40-A-Sensor eine gute Wahl – ein 100-A-Sensor eher nicht. Bei Temperaturmessungen werden zurzeit preiswerte Halbleitersensoren eingesetzt, die eine entsprechende Trägheit aufweisen. Eine Lösung wäre hier die Messung über Infrarotsensoren und somit ein schnelles und kontaktfreies Messen der Temperatur. Vielleicht wird es so etwas in Zukunft auch geben. Besonders zum Messen der Temperatur eines Elektromotors wäre das hilfreich. Zudem ist es bei manchen Motortypen einfach schwierig, die Temperatur über einen Kontakt zu messen. Zwischen den Kontaktflächen müsste man eigentlich eine Wärme­leitpaste auftragen, wie man es beim Montieren von Leistungstransistoren oder Reglern auf Kühlblechen her kennt. Einige Temperatursensoren verfügen auch über Magnete, um sie ohne eine Klebung oder Klemmung an einem Elektromotor befestigen zu können. Log-Daten Einen ganz wichtigen Punkt haben wir bisher bei den Messwerten noch nicht aufgeführt, der aber eine sehr hohe praktische Bedeutung hat, nämlich die Empfangs-Feldstärke beziehungsweise die Übertragungsgüte. Von Spektrum gibt es beispielsweise den Flight Log, der bei der Nach-Flug-Analyse die Zahl der eventuell aufgetretenen Signal-Ausblendungen oder Failsafes wiedergibt. Leider bieten nicht alle Systeme die Option, diese Daten auch während des Flugs aufzuzeichnen. Darüber ließe sich nämlich in Verbindung mit der Fluglage des Modells ­gegebenenfalls eine Optimierung der Position und Lage der Antennen im Modell durchführen. Das Non-Plus-Ultra ist natürlich im Elektroflug die Er­­mittlung der Restkapazität, respektive der entnommenen Akkukapazität über den Strom-/Spannungssensor. Die Zeiten des Timers sind vorbei und auch bei einem dynamischen Flugverhalten ist garantiert, dass man den Akku nie leer fliegt, zumal einstellbare Warnschwellen den Piloten daran erinnern. Das UniLog von SM Modellbau bietet beispielsweise diese Option und kann die Daten via Multiplex- oder Jeti-Empfänger zum Sender übermitteln. Das i-Tüpfelchen stellt eine Einzelzellen-Überwachung dar. Diese offeriert das aktuelle HoTT-System von Graupner mit dem Electric-Air-Modul für bis zu 14 Zellen. Für die Optimierung von Antrieben ist, wie bereits erwähnt, die Offline-Analyse wichtig. Auch Alterungs­erscheinungen des Akkus lassen sich nun beispielsweise am Maximalstrom oder der Flugperformance detektieren. Wissen ist Macht Ein weiterer wichtiger Punkt, besonders wenn nur bestimmte Flugkorridore genutzt werden können, ist ein Nachweis des benutzen Luftraums über ein GPS-Logging. Damit lassen sich Vorwürfe von Modellflug-sensiblen Nachbarn, Umwelt­schützern und anderen Gruppen entkräften, wenn jeder Flug elektronisch dokumentiert ­werden kann. GPS-Logs sind ein hilfreiches Instrument, um eventuellen Flugverboten entgegen zu wirken. Allzu häufig werden von Laien Flugzeuge da gesehen, wo sie definitiv nicht geflogen sind, da die Perspektive einen anderen Eindruck erweckte. Auch die Einhaltung der von den Luftbehörden vorgegebener Maximalhöhe lässt sich so nachweisen. Diskussionen und das Einbringen von subjektiven Eindrücken sind nun dank technischer Mittel passé. Wie heißt es so schön: Messen ist Wissen und Wissen ist Macht. Aber auch bei anderen Parametern kann einem die Messwert-Erfassung helfen, nämlich beim Ermitteln der Minimal- oder der optimalen Landegeschwindigkeit. In Verbindung mit einer Staurohrmessung kann man die optimale Landegeschwindigkeit wählen, und eine Warn­schwelle festlegen, die das Unter- oder Über­schreiten dieser Geschwindigkeit akustisch ­signalisiert – wie bei den großen Vorbildern. Speed Wo wir gerade bei der Geschwindigkeit sind, sollte an dieser Stelle einmal auf das Messen der Maximalge­schwin­digkeit eines Modells eingegangen werden. Diese muss man im Horizontalflug ermitteln. Das, was man als Maximalge­­schwin­digkeit im Telemetriesystem angezeigt bekommt, ist in der Regel eben nicht die maximale Hori­zon­talgeschwindigkeit, sondern oft die Geschwin­digkeit, die in einer vertikalen Figur wie einem Looping oder Abschwung geflogen wurde und ist daher nicht vergleichbar. Nur Horizontalge­schwindigkeiten können als Vergleich dienen. Man müsste annehmen, dass diese Erkenntnis eigentlich gar nicht erwähnt werden müsste, aber immer wieder fallen mir falsche Angaben von ­Maxi­malgeschwindigkeiten auf. Klar ist natürlich, dass die Maximalgeschwindigkeit im Horizontalflug ­geringer ausfallen wird, als die in einer Abwärtsphase. Zukunft Ein aktueller Schritt ist die Integration der Telemetrie in die Fernsteuerung selbst, ohne Zusatzdisplays oder ähnliches, sowie der Anschluss eines PCs zur detaillierten Messwert-Analyse. Überhaupt wird die Migration Fernsteuerung und PC in den nächsten Jahren eine größere Rolle spielen. Hier sind wir noch auf einem technischen Niveau, das vom Machbaren weit entfernt ist. Während des Flugs lassen sich Echtzeitdaten auf einem Display nur schwer verfolgen. Schön wäre es natürlich, wenn man bei Unter- oder Überschreiten eines Para­meters zur akustischen Unterstützung eine konkrete Ansage wie bei den großen Vorbildern erhält. Die aktuelle Entwicklung bei den Sprachausgaben wie sie Graupner, Simprop oder Jeti anbieten, ist hier viel versprechend. Warum auch nicht ein HUD (Head-Up-Display) für den Jetmodell-Piloten. Solange es nicht auch noch eine Schleudersitz-Simulation für den Modellpiloten gibt, soll uns solche Technik recht sein. Auch bei den Sensoren wird eine Migration in bestehende Elektronikkomponenten erfolgen. So werden irgendwann viele Motorregler über interne Sensoren verfügen, wie das aktuell Multiplex bei seiner neuen Reglerserie macht. Wo lassen sich schon der Strom oder die Spannung besser messen als im Regler und warum soll auch nicht gleich ein Temperatursensor im Regler verbaut werden, der seine Werte weiter an die Telemetrie übergibt? Was die Telemetrie angeht, so stehen wir erst am Anfang der Möglichkeiten. Noch sind alle Systeme auch passiv, das heißt, dass die Messwerte nicht dazu dienen, aktiv ins Fluggeschehen einzugreifen, wie es bei den großen Vorbildern der Fall ist. Die Vibrationsalarme einiger Hersteller stellen ja keinen aktiven Eingriff ins Geschehen dar, sondern eine „fühlbare“ Vermittlung des Über­schreitens von Warnschwellen. Man muss sich bei diesem Ausblick auch Fragen, ob der Modellpilot dies überhaupt will. In der Kfz-Industrie war es jahrelang eine Frage, in wie weit man beispielsweise mit automatischen Bremssystemen oder technischen Assistenten die Mündigkeit des Fahrzeugführers in Frage stellt und ob automatisierte Entscheidungen auf Basis von Messungen eine höhere Priorität haben sollten als die Entscheidungen des Menschen – auch wenn sie unter Umständen falsch sind. Wenn man mal einen Blick auf die Vorbilder unserer Modelle macht, zum Beispiel moderne Kampfflugzeuge wie der Eurofighter oder die F-22 Raptor oder auch ein Airbus A380, dann ist da in vielen Bereichen schon eine aktive Unterstützung des Flugs gegeben. Anders formuliert: Hier handelt es sich um Flugzeuge, die ohne diese technische Unterstützung zum Teil gar nicht fliegbar wären. Es gab immer Entwicklungen in der technischen Geschichte, die am Anfang umstritten waren und später zum Standard zählten – auch im Modellbau, wie die Geschichte der 2,4-GHz-Technik es uns gezeigt hat. Uns stehen in den nächsten Jahren noch spannende Zeiten beim Thema Telemetrie bevor.