Vorbild-Dokumentation: North American P-51 Mustang

„Glamorous Glennis“ war nicht nur der Name des ersten amerikanischen Überschallflugzeugs Bell X-1, sondern zierte auch die lange Motorhaube einer North American P-51 Mustang. Dass die beiden völlig unterschiedlichen Flugzeuge denselben Namen trugen, ist jedoch kein Zufall, denn sie wurden vom selben Piloten geflogen: Charles Elwood Yeager – besser bekannt als „Chuck“ Yeager. Die fliegerische Karriere von Chuck Yeager hatte 1943 bei der US Army Air Force (USAAF) begonnen. Kurze Zeit später war er dann zum 363rd Fighter Squadron nach England abkommandiert worden, um mit einer P-51 Mustang Begleitschutz für amerikanische Bomber­ver­bände zu fliegen. Yeager bewies dabei viel fliegerisches Talent und wurde schnell zu einem der erfolgreichsten alliierten Jagdflieger. Eine nicht zu unterschätzende Rolle bei diesem Erfolg spielte dabei auch seine P-51D, die damals schon vielen deutschen Jagdflugzeugen leistungsmäßig überlegen war. Zu Ehren seiner damaligen Freundin und späteren Frau Glennis nannte Yeager seine Mustang „Glamorous Glennis“. Marktlücke „Jagdflugzeug“ Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs setzten die amerikanischen Streitkräfte noch die Curtiss P-40 „Warhawk“ als Standardjäger ein, die den damaligen europäischen Jagdflugzeugen eher unterlegen war. Da die heimische Luftfahrtindustrie bei der Produktion von dringend be­­nötigten Jagdflugzeugen nicht nachkam, orderte Großbritannien zusätzlich ebenfalls eine größere Anzahl P-40 in den USA. Hier witterte James Kindelberger von der Firma North American eine echte Marktlücke: Wenn die britischen Verbündeten sogar veraltete amerikanische Jagdflugzeuge in großen Mengen kauften, wie gut musste sich dann erst ein modernes Jagdflugzeug verkaufen. Im April 1940 setzte Kindelberger dann einen kühnen Entschluss um. Er bot den Briten an, innerhalb von nur 120 Tagen ein völlig neues und modernes Jagdflugzeug zu bauen. Ein entsprechender Vertrag wurde umgehend abgeschlossen. Der neu zu entwickelnde Jäger erhielt die werksinterne Bezeichnung „Model NA-73“. Da Kindelbergers Zeitplan äußerst knapp war, machte sich sein Konstruktionsteam unter der Leitung des Deutsch-Amerikaners Edgar Schmued unverzüglich an die Arbeit. Schmued konnte zwar auf bereits vorhandene Unterlagen und Pläne zurückgreifen, wollte aber unbedingt ein „aerodynamisch sauberes Flugzeug“ entwerfen. Da Schmueds Team kein eigener Windkanal zur Verfügung stand, kaufte North American kurzerhand vom Konkurrenten Curtiss aerodynamische Studien über deren, ebenfalls in der Ent­wicklung befindliches Jagdflugzeug P-46. Aus diesem Grund wurde später gelegentlich behauptet, dass die P-51 Mustang auf Basis der Curtiss P-46 entstanden sei. Böse Zungen behaupteten dagegen, dass die P-46-Unterlagen Schmued und seinem Team eher als negatives Beispiel dienten, wie man es nicht machen sollte. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Aerodynamisch sauberes Konzept Der Mustang-Prototyp NA-73 entstand schließlich als Ganzmetallflugzeug mit zwei nahezu gleich starken Aluminiumholmen im Flügel, von denen der hintere die Landeklappen und die Querruder trug. Der Abstand ­zwischen den beiden Holmen wurde so gewählt, dass später auch großkalibrige Kaliber-.50-Maschinengewehre dazwischen Platz finden würden. Im Gegensatz zu früheren North American-Flugzeugen, deren Flügel durch ein Zentralstück im Rumpf miteinander verbunden waren, treffen die Flügelhälften der Mustang unterhalb des Rumpfs direkt aufeinander und weisen zudem eine deutliche V-Stellung auf. Eine weitere Besonderheit der Mustang stellt das von Chefkonstrukteur Schmued gewählte Laminarprofil für die Flügel dar, das rund 20 Prozent weniger Profilwider­stand als herkömmliche Profile aufweisen soll. Erste Informationen zu diesem neuentwickelten Profiltyp waren vom National Advisory Committee for Aero­nautics (NACA) erst kurz zuvor veröffentlicht worden. Der Trick beim Laminarprofil liegt darin, dass es seine größte Dicke erst bei 50 bis 60 Prozent seiner Profiltiefe erreicht und nicht schon bei rund 20 Prozent, wie klassische Flügelprofile. Zudem sind Oberseite und Unterseite beim Laminarprofil nur wenig gewölbt und nahezu identisch. All dies führt in Verbindung mit einer besonders glatten Oberfläche zu einem längeren Anliegen der Strömung am Flügel, bevor die ersten Wirbel auftreten. Gegensätzliches Erfahrene Modellflieger werden bereits bei der Be­­schrei­bung des Laminarprofils Böses ahnen: Bei niedrigeren Geschwindigkeiten produziert es kaum noch Auftrieb. Genau dies ist der Grund dafür, dass die Mustang im Original mit sehr groß dimensionierten Landeklappen ausgestattet werden musste. Im Gegensatz zu europäischen Jägern wie der Messer­schmitt Bf 109 oder der Spitfire wurde die Mustang mit einem relativ breiten Hauptfahrwerk mit einer Spurweite von fast vier Meter ausgestattet, wodurch Landungen erheblich vereinfacht wurden. Neben dem Hauptfahrwerk war auch das gelenkte Spornrad voll einziehbar und verschwand dabei unter einer zweiteiligen Fahrwerksklappe. Der Kraftstoffvorrat der Mustang war mit 680 Litern rund doppelt so groß wie bei der Spitfire und wurde in zwei selbstabdichtenden Flügeltanks untergebracht. Da die Briten einen flüssiggekühlten Reihenmotor verlangten, kam für die Mustang zunächst nur der amerikanische Zwölfzylindermotor Allison V-1710 mit 1.100 PS in Frage, der auch in der P-40 eingebaut war. Dieser Motor war etwas größer als der englische Rolls Royce Merlin, der beispielsweise in der Spitfire verwendet wurde und wies in niedrigen Höhen eine ähnliche Leistung auf. In größeren Höhen verlor der V-1710 gegenüber dem Merlin jedoch spürbar an Leistung. Dafür hatten sich die Amerikaner bei der Konstruktion ihrer Kühlanlage wieder etwas Besonderes einfallen lassen. Die Wärmetauscher für Kühlmittel und Motoröl wurden in einem gemeinsamen, stromlinienförmigen Gehäuse unter dem Flügel montiert, wo sie etwas zusätzlichen Schub produzierten, indem die erhitzte Luft am hinteren Ende mit erhöhter Geschwindigkeit austreten konnte. Die Nase vorne Als am 20. September 1940, bereits 102 Tage nach Vertrags­abschluss, der erste Prototyp endmontiert wurde, war auch die USAAF hellhörig geworden und reservierte sich vorab schon mal zwei der insgesamt zehn geplanten Prototypen für eine ausgie­bige Flugerprobung. Die NA-73 wurde daraufhin in „XP-51“ („X“ für „Experimental“) umbenannt und Großbritannien erhöhte seine bisherige Bestellung von 320 Exemplaren auf 620. Doch dann kam der erste Rückschlag für North American: Allison durfte das zugesagte Triebwerk nicht liefern. Der Grund dafür war politischer Natur. Da die Mustang nicht im Auftrag der amerikanischen Regierung entwickelt wurde, hatte das Projekt keine Priorität und Allison ­musste alle verfügbaren Triebwerke an Curtiss für die ­laufende P-40 Serienfertigung liefern. Erst vier Wochen später stand dann auch für den Mustang-Prototyp ein Allison V-1710 zur Verfügung, sodass dieser dann am 26. Oktober 1940 endlich zum Erstflug starten konnte. Überraschenderweise stellte sich dabei heraus, dass die Mustang trotz derselben Motori­sierung rund 40 Stunden­kilometer schneller war, als die Curtiss P-40. Edgar Schmueds Konzept eines „aerodynamisch sauberen“ Flugzeugs hatte sich voll und ganz bestätigt. Rolls Royce Power Fast genau ein Jahr nach dem Erstflug des Prototypen, nämlich am 24. Oktober 1941, traf die erste Serien-Mustang „Mk. IA“ auf dem Seeweg im englischen Liverpool ein und wurde sofort einer eingehenden Erprobung in Duxford unterzogen. Dabei zeigte sich, dass sie sowohl der zuvor in den USA beschafften P-40, als auch der englischen Spitfire in geringer Flughöhe deutlich überlegen war. In 4.000 Meter Höhe betrug die Höchstgeschwindigkeit der neuen Mustang 615 Stunden­kilometer und selbst in 6.100 Meter Höhe konnte sie noch allen in Dienst stehenden alliierten Jägern problemlos davonfliegen. Allerdings machte der Mustang nach wie vor die mangelnde Höhenleistung ihres Allison-Motors zu schaffen. Um auf eine Flughöhe von 6.100 Meter zu steigen benötigte sie rund elf Minuten, während die Spitfire dies in nur ­sieben Minuten schaffte. Da sich auf dem europäischen Kriegsschauplatz die meisten Luftkämpfe in mittleren bis großen Höhen abspielten, war die schlechte Steigleistung der Mustang ein erheblicher Nachteil. Um Abhilfe zu schaffen, beauftragte die britische Erpro­bungsstelle die Firma Rolls Royce mit der Umrüstung von fünf Mustangs auf Merlin-Triebwerke. Diese Maschinen wurden anschließend als „Mustang Mk. X“ bezeichnet und erhielten statt ihrer serienmäßigen Dreiblattpropeller, neue englische Vierblattpropeller mit einem Durchmesser von 3,28 Meter. In dieser Konfiguration erreichte die Mk. X nun eine Höchstgeschwindigkeit von 697 Stundenkilometern in 6.700 Meter Höhe, während ihre maximale Flughöhe sogar auf 12.400 Meter angestiegen war. North American zieht nach Da das überlegene Rolls Royce Merlin-Triebwerk inzwischen in den USA von der Packard Motor Company unter der Bezeichnung „V-1650“ in Lizenz gefertigt wurde, lag nichts näher, als künftige Mustangs serienmäßig mit diesem Triebwerk auszustatten. Hierzu wurde die Zelle verstärkt, um die höhere Leistung und das höhere Gewicht des neuen Triebwerks aufnehmen zu können, sowie eine komplett neue Motor­ver­kleidung entworfen. Zusätzlich erfolgte eine Verbesserung der Kühlanlage sowie der Einbau eines zusätzlichen Tanks hinter dem Pilotensitz. Des Weiteren wurde ein neuer Vierblattpropeller mit einem Durchmesser von 3,40 Meter montiert. Auch die Bewaffnung der neuen Mustang „P-51B“ war überarbeitet worden. Während die erste Version mit insgesamt acht Maschinengewehre ausgestattet war, von denen zwei in der Nase montiert waren und durch den Propellerkreis schossen, hatte die B-Version nur noch vier Kaliber-.50-Maschinengewehren in den Flügeln. Dafür waren jetzt unter den Flügeln Bomben­aufhängungen angebracht worden, an die bei Lang­streckeneinsätzen auch zwei abwerfbaren Zusatztanks gehängt werden konnten und der neuen Mustang eine Reichweite von über 1.400 Kilometer verliehen. Die bekannteste Version der Mustang wurde aber schließlich die P-51D. Bei ihr wurde erstmals die typische „Bubble“-Haube verwendet, die dem Piloten eine ausgezeichnete Rundumsicht ermöglichte. Da die neue Haube einen niedrigeren und weniger „gekielten“ Rumpf erforderte, musste vor dem Seitenleitwerk eine zusätzliche Finne montiert werden, damit die Richtungsstabilität erhalten blieb – besonders, wenn der Tank hinter dem Piloten gefüllt war und der Schwerpunkt dadurch weiter nach hinten wanderte. Status Quo Die Standardbewaffnung der P-51D bestand jetzt aus insgesamt sechs Kaliber-.50-Maschinengewehren in den Flügeln und den beiden Aufhängungen für Bomben oder Zusatztanks, die sich bereits bei den Vorgängermodellen bewährt hatten. Später kamen noch Abschuss­vorrich­tungen für je fünf ungelenkte Raketen pro Flügel hinzu. Als Antrieb diente der P-51D ein Packard Merlin V-1650-7 mit 1.695 PS, der ihr in Verbindung mit einem vierblätterigen Hamilton-Standard-Propeller mit einem Durchmesser von 3,40 Meter eine Höchstgeschwindigkeit von über 700 Stundenkilometern verlieh. Mit mehr als 8.000 gebauten Exemplaren war die P-51D ab 1944 das meist eingesetzte Jagdflugzeug der Amerikaner in Europa. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die P-51D in „F-51D“ umbenannt und stand noch einige Jahre im Dienst der US-Streitkräfte, wobei sie ab 1950 auch im Korea-Krieg eingesetzt wurde. Im Gegensatz zu den ersten amerikanischen Jets, konnte sie dort nämlich auch von kurzen und schlecht befestigten Pisten operieren. Die letzte Mustang der Streitkräfte wurde dann 1957 in West Virginia ausgemustert. Und was war eigentlich aus dem Mustang-Ass Chuck Yeager nach dem Krieg geworden? Nachdem er am 15. Januar 1945 seinen 61. und zugleich letzten Einsatz mit seiner „Glamorous Glennis“ geflogen hatte, war er als hochdekorierter Kriegsveteran in die USA zurückgekehrt. Dort blieb er in der Air Force und wurde auf eigenen Wunsch als Testpilot auf die Edwards AFB versetzt, wo es ihm im Oktober 1947 gelang, als erster Pilot offiziell die Schallmauer zu durchbrechen.