Flugfest in Nennslingen

Wenn Aerobaticmodelle über die Grasnarbe rummern, Füchse mit Turbinenjets durch die Luft donnern, dann sind prominente Schauflugpiloten wie Markus Rummer oder Robert und Sebastian Fuchs am Steuerknüppel. Rund 4.000 Zuschauer aus der ganzen Republik pilgerten daher letztes Jahr zum Flugfest aufs Nennslinger Hochfeld und bekamen dort Modellflug vom Feinsten geboten. Seit 32 Jahren lädt Günther Hölzlwimmer, der Präsident des Jura-Modellsport-Vereins, hochkarätige Schauflug­piloten zum Mega-Flugtag nach Nennslingen ein. Der weit über Deutschland hinaus bekannte Club führt dem begeisterten Publikum immer wieder vor, was heutzutage im Modellflugsport so alles möglich ist. Entsprechend groß war das Spektrum: Das kleinste Flugmodell hatte 700 Millimeter (mm) Spannweite und wog 200 Gramm – hingegen brachte es das größte auf 6.600 mm Spannweite und stolze 68 Kilogramm (kg) Abfluggewicht. Dicke Brummer Tim Stadler faszinierte das Publikum mit seinem spektakulären 3D-Freestyle-Programm – im Gepäck hatte er eine 3W-Pitts S12 mit 3.000 mm Spannweite. Unter der Motorhaube hatte der 3W-Vierzylinder-Boxermotor mit 220 Kubikzentimeter Hubraum und 23 Pferdestärken ein leichtes Spiel: Die 24 Kilogramm schwere Aerobatic-Maschine zog er meist mit Halbgas durchs komplexe Freestyle-Programm. Tim Stadler war kein Himmels-, sondern eher ein Bodenstürmer, weil er mit seinem großen Doppeldecker in Grashalmhöhe souverän eine Powerrolle nach der anderen flog. Wenn Manfred Gruber und sein Sohn Sebastian auf die Anlasserknöpfe ihrer beiden Riesen-Pipers von Bill Hempel drücken, ist ihnen die Aufmerksamkeit des Publikums gewiss. Die Modellflugzeuge sind so groß, dass man sie in der Luft nicht mehr vom manntragenden Original unterscheiden kann. Vater Gruber fliegt eine olivgrüne Piper Grashopper L4 mit 60 Prozent der Originalgröße. Der 68 kg schwere Hochdecker hat eine Spannweite von 6.600 mm. Der eigens entwickelte King Boxermotor mit 300 Kubik­zentimeter Hubraum bringt mehr als genug Power für Seglerschlepp und Kunstflug auf. Filius Sebastian Gruber steuert hingegen eine gelbe Piper Clipped Wing des gleichen Herstellers mit 5.600 mm Spannweite – ebenfalls 60 Prozent der Originalgröße – und 58 kg Gewicht, die gleichfalls von einem King 300 B2-Boxermotor angetrieben ist. Beide Flugzeuge sind mit einem elektrischem Bordanlasser und einer Schleppwinde ausgestattet: Somit eignen sie sich vorzüglich für ­vorbildgetreuen Bannerschlepp. Des Weiteren ziehen sie riesige Scale-Segler im Maßstab 1:2 oder größer per F-Schlepp schnell zum Thermikanschluss. 4D-Rummer Kräuseln sich die Nackenhaare bei den Zuschauern, dann zelebriert Markus Rummer brillanten Kunstflug in Gras­narbenhöhe. Er kam mit zwei Flugmodellen zu seinem Heimatverein, die optimal für spektakuläre Schauflug­einlagen präpariert waren. Seine F-16 mit 2.000 mm Spannweite und knapp 25 kg Gewicht war mit einer Jetcat P200-Turbine sehr gut motorisiert. Als er im Tiefflug über die Startbahn bretterte, schrieen die Zuschauer „tiefer, ­tiefer, tiefer!“ Erst als die Flügelspitzen die Grashalme berührten, gab sich Markus zufrieden. Aufsehen erregte Markus Rummer mit zwei Statements. Erstens: „3D ist Schnee von gestern, 4D ist heute.“ Und zweitens: „Beim 3D-Kunstflug hängen die Flieger mittlerweile recht langweilig an der Luftschraube – hingegen stehen sie bei 4D-Aerobatic spektakulär auf dem rotierenden Luftquirl.“ Was bisher nur mit Schaumwaffeln in der Halle möglich war, zelebrierte Markus Rummer mit einem dicken Brummer: Seine neue elektrische 4D-Kunst­flug­maschine mit selbst gebautem Verstellpropeller hat ­2.600 mm Spann­weite und bringt stolze 17 kg auf die Waage. Dabei ist der Verstellpropeller genial einfach ausgeführt: Markus Rummer verwendet den abgesägten Rotorkopf eines Hubschraubers zur Blatt­verstellung und verbindet diesen mit einem Hacker A-150 Brushless-Antrieb. Als Propeller dienen zwei abgeschnittene Hubschrauber­rotor­blätter, die 8 Kilo­watt Motorleistung effizient in Schub umsetzen. Leider musste er aufgrund eines technischen Defekts des Verstellpropellers sein Flugprogramm abbrechen. Düsenfieber Marc Petrak und Stefan Wurm sind bekanntlich Werkspiloten bei Horizon Hobby und brachten jeweils eine L-39 Albatros mit 2.700 mm Spannweite und knapp 25 kg Abfluggewicht mit. Beide Turbinenjets sind sehr scale gebaut sowie mit Einziehfahrwerk und Radbremsen aus­­ge­­rüstet. Jeder dieser beiden Elite-Piloten bietet schon eine Schau für sich, wenn aber beide gleichzeitig beim Synchronflug in die Knüppel greifen, fällt den Zuschauern die Kinn­lade runter. Die Modelle dicht nebeneinander im Tiefflug über die Startbahn donnern zu lassen – das reißt jeden Zuschauer vom Hocker. Nach der Landung erfolgt stets dieselbe Zeremonie: Viel Applaus und laute Bravo-Rufe. Doch mit seiner Su-27 Flanker setzte Marc Petrak noch eins drauf: Der absolut vorbildgetreue Turbinenjet entstand in achtjähriger Bauzeit aus der Form von Harald Huf und versetzt selbst eingefleischte Scale-Modellbauer in Entzücken. Den 2.400 mm spannenden und über 3.000 mm langen Turbinenjet mit 48 kg Startmasse befeuern sou­verän zwei Jetcat P200 SX-Turbinen mit insgesamt 480 Newton Standschub. Wie das große Vorbild, so ist auch Marcs Su-27 Flanker mit einem Scale-Einzieh­fahrwerk, Radbremsen und Rauchanlage ausgerüstet. Gigantisch ist nicht nur die detailgetreue Bauausführung, sondern auch der Materialpreis– rund 40.000 Euro. Über das Red-Bull-Team Robert und Sebastian Fuchs Worte zu verlieren, hieße Eulen nach Athen tragen. Beide zeigten mit ihren MB-339 Turbinenjets äußerst ästhetischen und perfekten Synchronflug. Ihre Flugmodelle brachten bei 2.800 mm Spannweite rund 25 kg auf die Waage und waren jeweils mit einer Jetcat P200-Turbine, Einziehfahrwerk und Landescheinwerfern ausgestattet. Gaudiflieger Einer der bekanntesten Gaudiflieger im Nennslinger Club ist Lothar Scheuermeyer, der einen fliegenden Schlumpf und einen himmelstürmenden Rasenmäher mitgebracht hatte. Der etwa kindergroße Styropor-Schlumpf sitzt auf einer Scheibe mit einem Meter Durchmesser – das etwa 6 kg schwere Gaudifluggerät befeuert ein 23-Kubikzenti­meter-Benzin­motor. Als Hobbygärtner verkleidet, mähte Club-Mit­glied Dieter Prechtel quasi den Rasen und Lothar Scheuermeyer ließ dann den Mäher von der Graspiste abheben. „Flugmodelle mit über 20 Kilogramm Gewicht zu fliegen, ist für jeden Piloten eine Herausforderung. Aber Schaum­waffeln – sprich Gaudiflieger – haben auch ihren Reiz“, meint Günther Hölzlwimmer. Am Stammtisch beschloss er mit ein paar enthusiastischen Modellflugsportlern seines Vereins, eine Schaumwaffelstaffel mit dem Radian (Spann­weite 2.000 mm) von Horizon ins Leben zu rufen. Irgend­wann waren die Tragflächen mehrerer Radians so stark lädiert, dass man aus drei kaputten Flügeln eine neue Tragfläche zimmerte, und ein dreirümpfiges Flugmodell mit drei Elektroantrieben schuf. Es flog so gut, dass sofort weitere Modellflugsportler in Günthers Verein diesen Trimaran der Lüfte aus Gaudi nachbauten und beim Nennslinger Flugtag einem applaudierenden Publikum ­präsentierten. Programmpunkte wie Fuchsjagd, Bonbonabwurf, Ballonstechen und das gut organisierte Drumherum, das fürs leibliche Wohl sorgte, rundeten den Flugtag ab. Günther Hölzlwimmer ist der beste Garant, dass der Nennslinger Modellflugtag jedes Jahr immer wieder ein reizvolles Familienfest für Jung und Alt ist.