Scheibe Sperling SF-23

Scheibe Sperling SF-23

Ein Fluggerät für jedermann, eine leichte und sichere Konstruktion mit einem kleinen wirtschaftlichen und zuverlässigen Motor, ein Einfachstflugzeug, ein sogenanntes Volksflugzeug. Das war es, was in den besonders schweren Zeiten nach den beiden Weltkriegen die Konstruktions-Pioniere antrieb. Ein einsitziges und gutmütiges Fluggerät, erschwinglich auch für eine breitere Bevölkerungsschicht.

Mit diesen Sätzen könnte man fast alle Typen-Beschrei­bungen zu Sportflugzeug beginnen, welche Flugzeug­muster aus deutscher Nachkriegsproduktion abhandeln. Einfach im Aufbau, billig in der Anschaffung und im Be­­trieb, das waren die Eckpunkte für deutsche Konstruk­teure nach der Freigabe des Motorflugs ab dem 5. Mai 1955.

Teilweise noch während des Flug- und Bauverbots wurde da schon in einigen Werkstätten emsig an den diversen Konstruktionen gearbeitet. Ein typisches Beispiel für diese Konstruktionen war die Motor-Möwe von Heini Dittmar, welche zuerst zwangsläufig als Segel-Möwe fliegen musste, nach der Motorflugfreigabe aber ganz problemlos mit einem Triebwerk in der Rumpfnase als Mo­­tormaschine flog. Alfons Pützer versah den doppelsitzigen Segler Doppelraab mit einem Motor und begann so den Motorflugzeugbau.

Unternehmergeist
Konstrukteur Egon Scheibe, dessen erste Nachkriegs­kon­struktion Mü-13E Bergfalke bereits 1950 in Österreich flog, machte sich 1951 mit der Konstruktion und Herstel­­lung von Segelflugzeugen selbstständig und gründete in Dachau die Firma Scheibe Flugzeugbau. Er war Pionier in der Sparte der Motorsegler und verkaufte später seine Motorfalken in großen Stückzahlen in alle Erdteile. Vom Scheibe SF-25 Motorfalken mit all seinen Baureihen gab es, einschließlich der Lizenzbauten, über 1.500 Exem­plare. Zumindest bis zu dem verstärkten Aufkommen der Ultraleichtmotorflugzeuge wurden die Motorsegler aus Dachau zu einer preiswerteren Alternative zu den reinen Motorflugzeugen.

Betrachtet man sich die Situation Anfang der 1950er-Jahre in der deutschen Sportfliegerei so erkennt man zumindest in der Nachbetrachtung, welchen Mut und Unter­neh­­mergeist Männer wie Egon Scheibe damals hatten. Der Motorflug ist den Deutschen von den Alliierten bis zum Mai 1955 verboten. Flugzeuge waren durch die Kriegsgeschehen zerstört oder wurden durch die Besatzer mutwillig vernichtet. Um die dazugehörige Infrastruktur stand es nicht viel besser.

Gleichzeitig gab es auf dem US-amerikanischen Markt ein Überangebot an leichten, zweisitzigen Motorflug­zeugen. Ende der 1940er-Jahre musterte das Militär zigtausende Piper Cub und ähnliche leichte Muster aus. Da wurde es auch in den USA schwer, Flugzeuge in dieser Klasse zu verkaufen. So erstaunt es nicht, dass man neue Absatzmärkte suchte und schnell erkannte, dass auch in der neuen BRD ein großer Bedarf vorhanden war. Und das blieb auch über Jahrzehnte so, Kleinflugzeuge kaufte man hauptsächlich in den USA. Und wer sich also in den Kopf setzte, für diesen Markt ein deutsches Produkt zu entwickeln, der musste dies – ganz grob dargestellt – nach US-amerikanischen Zulassungsvorschriften tun. Dies galt nicht nur für die Flugzeugzellen, sondern natürlich auch für die Motoren.

Ganz bestimmt gehörte viel Mut und unternehmerisches Risiko dazu, in jenen Zeiten ein deutsches Mo­­torflug­zeug zu entwickeln. Egon Scheibe war einer der Mutigen und wagte den Einstieg in die Motorflug­zeug­produktion. Es entstand ein zweisitziger Hochdecker in der von Schei­­be gewohnten Stahlrohr-Holz-Gemischt­bauweise. Als Antrieb diente dem ersten Versuchs­mus­ter ein Con­tinental Motor mit 65 Pferdestärken (PS). Scheibe wird sich bei der SF-23-Sperling-Konstruktion wohl auch an der legendären Piper J-3 Cub orientiert haben, übernahm jedoch nicht die Sitzanordnung der US-amerikanischen Konstruktion, sondern sah nebeneinander angeordnete Sitze vor.

Erstflug
Am 8. August 1955 startete die SF-23 V-1 zum Erstflug, dies noch ohne aufgepinselte Kennung welche D-EBIN lautete. Die Maschine mit dem Zweibeinfahrwerk erfuhr während der etwa 600 Starts andauernden Flugerprobung Änderungen in vielen Details. Das auf dem Rumpfrücken angeordnete Höhenleitwerk wurde tiefer angebracht und die Seitenflosse erhielt eine doch etwas gefälligere Form. Auch an der Bauweise der Höhenflosse kam es zu Änderungen. Anfangs aus Holz aufgebaut, wich sie nun einer bespannten Stahlrohrkonstruktion. Das zuerst nur teils verkleidete Triebwerk verschwand bald vollständig unter einer formschönen Cowling.

Ab September 1956 wurde der Tragflügel etwas vergrößert und das alte Mü-Tragflächenprofil durch das NACA 23012 ersetzt. Der typische Knick an der Nasenleiste am Profilwurzelbereich dient den besseren Sichtbedingungen nach oben. Die zweiholmige Tragfläche ist zum Rumpf abgestrebt und hat einen herkömmlichen Aufbau mit drehsteifer Sperrholznase und bespannten Rippenfeldern. Anfang des Jahres 1958 erfolgte die offizielle Musterzu­las­­sung für die Bereiche Schulung, Reiseflug und einfachen Kunstflug. Daneben noch die Zulassung für Flug­zeug- und Bannerschlepp und auch das Absetzen von einem Fallschirmspringer.

Im Sommer 1957 flog erstmals die D-ELAR, das Ver­suchs­muster 2, das fast den späteren Serienstand aufwies. Jetzt diente ein 85 PS leistender Continental-Motor als Antrieb und die Cowling wurde nochmals gefälliger ausgeführt. Zusammen mit den nun auch verkleideten Stahl­rohren des Fahrwerks hinterließ diese V-2 optisch einen sehr harmonischen Eindruck.

Im Frühjahr des Jahres 1958 begann dann in Dachau die Serienfertigung des SF-23A Sperlings. Anfangs wurde pro Monat eine Maschine gefertigt, später waren es dann zwei bis drei Sperlinge. Die Modellpflege ging weiter und so erhielt der Sperling Spreizklappen für bessere Start- und Landeeigenschaften, diese Ausführung nannte sich SF-23A-1. Ab 1960 folgte die Version SF-23B, welche die Spreizlandeklappen serienmäßig eingebaut hatte und als Antrieb diente ein 100 PS starker Lycoming Motor des Typs O-200A. Als Versuchsmuster fungierte die Er­­pro­­bungsmaschine V-3 mit der Kennung D-ECYZ.

Wem dies noch nicht genug an Motorisierung war, der bekam ab 1961 der Sperling Version C mit dem Lycoming Motor O-235 C-1 angeboten, diese Ausführung hatte dann 115 PS Leistung und eignete sich sehr gut für den Seglerschlepp. Von den Versionen A und A-1 wurden 18 Maschinen von Scheibe produziert, ein Exemplar bei Otto Wimmer in Lizenz. Dazu vier Exemplare der Version B, ab 1961 noch vier Maschinen der Baureihe SF-23C. Die Mo­­torenfabrik Otto Wimmer in Sulzbach am Inn fertigte als Lizenzbauten nochmals zwei SF-23C. Da der Sperling auch als Bauteilesatz angeboten wurde, ist es sicherlich möglich, dass zumindest von den A-Ausführungen in den Vereinen ein Amateurbau erfolgte.

Nischenprodukt
Bei den großen Stückzahlen der in Massenproduktion gefertigten diversen US-amerikanischen Muster – etwa von Cessna oder Piper – mag eine Produktion von knapp 30 Motorflugzeugen wie ein Misserfolg anmuten. Dies war die Sperling-Produktion für Scheibe sicherlich nicht. Es war aber auch nicht jener Erfolg, welchen Egon Schei­be im Lauf der Zeit mit seinen Motorsegler-Produk­tionen erzielen konnte. Dort wurde er zum Marktführer, mit dem SF-23 Sperling konnte er die weitere Dominanz der US-Hersteller nicht verhindern. Und es war ja auch noch so, dass es viele weitere Mitbewerber auf diesem Flug­zeugmarkt gab. Da gab es ja noch einige andere neue Flugzeugmuster etwa von Bölkow-Klemm oder auch von Pützer.

Als im Jahre 1963 die Absatzlage immer ungünstiger wurde, stellte Scheibe-Segelflugzeugbau die Produktion des SF-23 Sperling ein und widmete sich hauptsächlich der Entwicklung und dem Bau von Motorseglern. Eine Hand­­voll dieser Maschinen aus Dachau sind immer noch im Flugbetrieb. Exakt sechs Sperlinge waren am 31. De­­zember 2011 noch in Deutschland zugelassen.
Einige davon er­­­hielten schon ihr zweites Leben nach einem Flugunfall und wurden wieder aufwändig restauriert. So auch die in unserer Dreiseiten-Farbansichts-Zeichnung gezeigte D-ECYS, ein Sperling der Version C, im Jahr 1960 bei Wimmer in Lizenz gefertigt. Das Flugzeug war lange Zeit auf dem Flugplatz in Aalen-Elchingen stationiert und ist in einem vorbildlichen Zustand.

Auch wunderbar restauriert und immer noch im Flug­betrieb ist die D-EKYM, welche in einer hellblauen Werks­­lackierung ausgeliefert wurde und sich heute in blau und weiß mit attraktiven Fieseler-Kunstflugstreifen präsentiert. Alexis von Croy hat diesen schicken Sperling übrigens im fliegermagazin 7/2008 porträtiert. Er lässt dort den Piloten Rainer Bernd über die Flugeigenschaften zu Worte kommen, zum Reiseflug meint er Folgendes: „Da ist der Sperling gutmütig und wirtschaftlich, Über­land sind 85 Knoten möglich bei einem Verbrauch von 19 Liter pro Stunde. Die Maschine lässt sich optimal austrimmen; ich habe schon Flüge über mehrere hundert Kilometer unternommen, bei denen ich kaum mal einen Steuerinput machen musste.“

Zum Flug im Grenzbereich meint der Pilot: „Der Stall kommt schnell und ohne Vorwarnung und dann kippt der Sperling abrupt über den Flügel ab, und geht meist sofort ins Trudeln. Dadurch sind steile Kurven natürlich schon etwas riskanter als mit einer Cessna 150. Tritt man bei hoher Querneigung und wenig Fahrt ins Seitenruder, wird das ebenfalls mit einer Trudelumdrehung quittiert.“ Trotzdem, der Sperling fliege sich ganz einfach, man müsse eben nur die Grenzen der Maschine respektieren.

Downloadplan
Der Sperling-Konstrukteur Egon Scheibe verstarb am 20. Sep­­­tember 1997, anschließend übernahmen seine Schwie­gers­öhne den Betrieb. Aus Nachfolgermangel wurde dann der Be­­trieb von Scheibe-Flugzeugbau im Mai des Jahres 2006 eingestellt. Um eine weitere Produktion der erfolgreichen Mo­­tor­seg­­ler-Reihe zu gewährleisten, erwarb die Firma Sammet aus Heubach die Rechte an der Herstellung und führt so den Be­­trieb heute unter Scheibe-Aircraft weiter. Von dort erfolgt auch die Musterbetreuung der noch fliegenden SF-23 Sperling.

Danken möchte ich besonders dem Fachautor und Foto­grafen Alexis von Croy, welcher mir die herrlichen Fotos der D-EKYM überlassen hat. Durch seinen Vater – einem ehemaligen SF-23-Besitzer – hat er eine besondere Be­­ziehung zum Scheibe-Sperling, gerne ist er in der D-ECAX mitgeflogen. Wie diese Maschine in der Werks­­­lackierung aussah und wie sich sich heute präsentiert, können Sie auch anhand unserer Farbzeichnungen sehen, welche Sie zur privaten Verwendung im Downloadbereich unter www.modell-aviator.de finden.